Entscheidungsstichwort (Thema)
Einheitliche Entscheidung bei Stufenklage bei fehlendem Hauptsacheanspruch. Wirksamkeit einer Stichtagsregelung in Betriebsvereinbarung
Leitsatz (amtlich)
Bei einer Sonderzahlung mit Mischcharakter können die Betriebspartner die Zahlung von einem Bestehen des Arbeitsverhältnisses im Bezugszeitraum abhängig machen.
Leitsatz (redaktionell)
Die Jahresprämie ist eine Sonderzuwendung mit Mischcharakter und keine ausschließliche, variable Vergütung.
Normenkette
BetrVG §§ 88, 75; GG Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1; BGB § 611a Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 05.07.2019; Aktenzeichen 17 Ca 2314/19) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 05.07.2019 - 17 Ca 2314/19 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Auskunfts- und Zahlungsansprüche hinsichtlich einer Jahresprämie für das Jahr 2018.
Der Kläger war seit dem 01. Februar 2012 bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete zum 30.11.2018 aufgrund Kündigung des Klägers.
Bei der Beklagten besteht eine Betriebsvereinbarung "Einkommen". In dieser heißt es ua.
"Präambel
[...]
Diese Vereinbarung schafft die Grundlage, die Mitarbeiter am Erfolg des Unternehmens zu beteiligen. Durch eine höhere Flexibilisierung kann in erfolgreichen Jahren Geld ausgeschüttet werden, ohne durch hohe Fixkosten das Risiko für das Unternehmen in schlechten Zeiten zu erhöhen. Die Leistungsentwicklung eines Mitarbeiters kann so dynamisch im Einkommen abgebildet werden.
[...]
Zum Einkommen eines Mitarbeiters gehören neben dem Gehalt (fixer Anteil) folgende mögliche Komponenten:
a) Jahresprämie
b) Prämien aufgrund persönlicher Zielvereinbarung
[...]
§ 5 Jahresprämie
Die Jahresprämie dient dazu, den flexiblen Anteil des Einkommens zu erhöhen und die Mitarbeiter am Erfolg des Unternehmens zu beteiligen.
Mit dem Plan definiert das Management folgende Eckzahlen für die Jahresprämie des nächsten Geschäftsjahres:
a) geplantes operatives Ergebnis
b) die geplante Jahresprämie, die mindestens 10 % des geplanten operativen Ergebnisses beträgt
Diese Kennzahlen werden den Mitarbeitern nach Freigabe des Plans mitgeteilt.
Die auszuzahlende Jahresprämie wird wie folgt ermittelt:
Das operative Ist-Ergebnis des Geschäftsjahres wird durch das geplante operative Ergebnis geteilt. Dieser Faktor wird mit der geplanten Jahresprämie multipliziert. Eine Ausschüttung wird nur dann vorgenommen, wenn ein Betrag in Höhe von 500 € für jeden anspruchsberechtigten vollzeitbeschäftigten Mitarbeiter (bei Teilzeit entsprechend anteilig) zur Verfügung steht.
[...]
Die Auszahlung der Prämie erfolgt spätestens im Juni des Folgejahres. Mitarbeiter, die bis einschließlich zum 01.01. des folgenden Geschäftsjahres aus dem Unternehmen ausscheiden, erhalten keine Prämie.
§ 6 Bewertungs- und Entwicklungsgespräch
Jeder Mitarbeiter hat jährlich Anspruch auf mindestens ein Bewerbungsgespräch. [...]
Das Bewertungsgespräch findet jeweils im ersten Quartal für die Leistungen des Vorjahres statt.
[...]
Das Ergebnis des Bewertungsgesprächs dient als Orientierung für die Gehaltsanpassung § 4 und der Jahresprämie § 5."
§ 7 der Betriebsvereinbarung regelt des Weiteren ein Verfahren zur Gehaltserhöhung und zur Vergabe der Jahresprämie. Hinsichtlich des genauen weiteren Inhalts der Betriebsvereinbarung "Einkommen" wird auf Bl. 36 - 42 d. A. verwiesen.
Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren als geplantes operatives Ergebnis ihrer Unternehmensgruppe für das Jahr 2018 insgesamt 5.088.000,00 Euro angegeben, von denen wiederum 1.660.000,00 Euro auf die Beklagte entfielen. Die geplante Jahresprämie für alle Mitarbeiter habe 1.265.000,00 Euro betragen und das tatsächlich erzielte operative Ist-Ergebnis 1.528.600,00 Euro.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 05.07.2019 insgesamt abgewiesen. Sollte die Beklagte den Auskunftsanspruch nicht ohnehin bereits durch die Angaben im Verfahren erfüllt haben, sei der Auskunftsanspruch nicht gegeben, da keine Ungewissheit über den Zahlungsanspruch bestehe. Vielmehr bestehe der Zahlungsanspruch bereits aufgrund der Stichtagsregelung nicht. Bei der Jahresprämie handele es sich um eine Sonderzuwendung mit Mischcharakter, bei denen auch die Betriebsparteien eine Stichtagsregelegung treffen könnten, soweit der Stichtag außerhalb des Bezugszeitraums liege. Die Stichtagsregelung in § 5 der Betriebsvereinbarung sei schon im Lichte einer praktischen Brauchbarkeit dahingehend auszulegen, dass ein Ausscheiden "bis einschließlich Ablauf des 31.12. des Geschäftsjahres" gemeint sei. Dies entspreche auch dem von der Beklagten unbestritten vorgetragenen Regelungswillen der Betriebsparteien.
Gegen das ihm am 10.07.2019 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit am 07.08.2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit beim Landesarbeitsgericht am 09.0...