Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschädigungsanspruch. Unmittelbare Diskriminierung. Einstellung
Leitsatz (redaktionell)
1. Der gemeinschaftsrechtliche Begriff der Behinderung ist nicht auf behinderte Menschen beschränkt, bei denen eine Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt.
2. Die Höhe der Entschädigung richtet sich nach der Art und Schwere des Verstoßes sowie der Folgen für den behinderten Bewerber. Es sind sowohl die materiellen als auch die immateriellen Nachteile des benachteiligten Bewerbers zu berücksichtigen, auch ist bei der Bewertung der Schwere des Verstoßes ggf. einem Grad des Verschuldens Rechnung zu tragen.
3. Die Entschädigung soll einerseits den Nachteil ausgleichen, der dem behinderten Bewerber durch die ihm entgangene Beschäftigung auf dem angestrebten Arbeitsplatz entstanden ist, insbesondere also die entgangene Verdienstmöglichkeit, andererseits ist der Verletzung seines Persönlichkeitsrechts Rechnung zu tragen. Daneben kommt der Entschädigung auch eine gewisse Präventivfunktion zu.
Normenkette
SGB IX § 81 Abs. 2; EGRL 78/2000 Art. 2 Abs. 2a
Verfahrensgang
Tenor
I. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 13.07.2005 – 86 Ca 24618/04 – wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens beim Bundesarbeitsgericht – 9 AZR 823/06 – hat das beklagte Land zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Anspruch der Klägerin auf Entschädigung wegen Benachteiligung aufgrund ihrer Behinderung bei der Entscheidung über die Begründung eines Arbeitsverhältnisses.
Die am … 1962 geborene Klägerin, die Mutter zweier Kinder im Alter von nunmehr 17 und 19 Jahren ist, leidet an Neurodermitis. Sie steht in ständiger Behandlung mit Antihistaminika und gelegentlich mit Corticoiden. 1993/1994 traten während einer Arbeitslosigkeit im Zusammenhang mit der Neurodermitis erhebliche gesundheitliche Probleme auf. Mit Bescheid vom 31.01.1994 (Bl. 05/06 d. A.) erkannte das Versorgungsamt der Klägerin einen Grad der Behinderung von 40 wegen einer äußerlich erkennbaren dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit zu. Während eines Arbeitsverhältnisses mit überwiegend stehender Tätigkeit in der Zeit von 1995 bis Ende 2003 war die Klägerin nicht wegen Neurodermitis arbeitsunfähig erkrankt.
Am 10.10.2003 bewarb sich die Klägerin bei der Polizei des beklagten Landes als Angestellte in der Parkraumbewirtschaftung, wobei sie eine monatliche Bruttovergütung zwischen 1.821,00 EUR und 1.915,00 EUR erhalten hätte. Am 24.02.2004 nahm sie an einem schriftlichen Auswahlverfahren und am 11.03.2004 an einer mündlichen Prüfung, jeweils mit Erfolg teil. Anlässlich der polizeiärztlichen Untersuchung zur weiteren Bearbeitung ihrer Bewerbung am 16.03.2004 legte sie dem untersuchenden Arzt Dr. F. den Bescheid des Versorgungsamtes über den Grad ihrer Behinderung vor. Im Ergebnis der Untersuchung erklärte Dr. F. die Klägerin für den Dienst in der Parkraumüberwachung als nicht verwendungsfähig (Befundschein Bl. 32 d. A.). Er teilte der Klägerin mit Schreiben vom 01.04.2004 (Bl. 10 d. A.) mit, dass der Befund ihrer Neurodermitis zur gesundheitlichen Nichteignung für die Tätigkeit in der Parkraumüberwachung geführt habe. Mit Schreiben vom 06.04.2004 (Bl. 11 d. A.) wurde der Klägerin von der Polizeibehörde mitgeteilt, dass ihre Bewerbung wegen der polizeiärztlich festgestellten Nichteignung erfolglos bleibe.
Mit Schreiben vom 22.04.2004 machte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegenüber der Polizeibehörde (Bl. 12/ 13 d. A) eine angemessene Entschädigung in Geld wegen einer ungerechtfertigten Benachteiligung aufgrund ihrer Behinderung geltend und bat zugleich um weitere Überprüfung der Auswahlentscheidung. Hierauf ging das beklagte Land nicht ein. Gespräche des Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit der zuständigen Mitarbeiterin des Landespolizeiverwaltungsamtes und mit dem stellvertretenden Leiter des polizeiärztlichen Dienstes Herrn Dr. S. sowie ein weiteres anwaltliches Schreiben vom 14.07.2004 (Bl. 14. d. A.) führten zu keinem anderen Ergebnis. In der Zeit vom 01.01.2004 bis zum 16.01.2005 war die Klägerin arbeitslos.
Mit der am 07.10.2004 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen und am 22.10.2004 zugestellten Klage hat die Klägerin die Zahlung einer angemessenen Entschädigung wegen Benachteiligung als behinderter Mensch verlangt und dabei ihren Anspruch auf die Richtlinie 2000/78/EG des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf vom 27.11.2000 (im Folgenden: Richtlinie) gestützt, die durch die Bundesrepublik Deutschland im SGB IX nicht vollständig umgesetzt worden sei. Die bloße Behauptung des ärztlichen Dienstes des beklagten Landes, sie sei aufgrund ihrer Neurodermitis für die Tätigkeit der Parkraumüberwachung nicht geeignet, genüge nicht den An...