Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlte Arbeitszeitbefreiung bzw. auf Zeitausgleich für geleistete Arbeitsstunden an Heiligabend und Silvester
Leitsatz (amtlich)
1. Eine tarifliche Regelung zur Arbeitsbefreiung an Heiligabend und Silvester unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts ähnelt Regelungen zu gesetzlichen Feiertagen. Es handelt sich nicht um eine Arbeitszeitregelung, die in einem engen, inneren sachlichen Zusammenhang mit den Regelungen zum Arbeitsentgelt steht.
2. Eine solche Regelung bildet bei Durchführung des Günstigkeitsvergleichs zwischen kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit für das Arbeitsverhältnis normativ geltenden und aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren Tarifvorschriften eine eigene Sachgruppe.
3. Hingegen gehört eine tarifliche Regelung über die Gewährung einer bezahlten Erholungszeit pro geleisteter Arbeitsstunde zur Sachgruppe "Arbeitszeit -Arbeitsentgelt". Sie betrifft die Dauer der Arbeitszeit, da sie regelt, wie lange während einer Arbeitsstunde Arbeitsleistung für das auf die Stunde bezogene Arbeitsentgelt erbracht werden muss.
Normenkette
TVG § 4 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 04.01.2017; Aktenzeichen 54 Ca 14767/15) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - das Urteil des Arbeitsgerichts vom 4. Januar 2017 - 54 Ca 14767/15 - teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen zusammenhängenden Zeitausgleich im Umfang von viermal sieben Stunden und 46 Minuten unter Fortzahlung seines Arbeitsentgelts zu gewähren.
II. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 92,95 % und die Beklagte zu 7,05 % zu tragen.
III. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf bezahlte Arbeitsbefreiung an den Vorfesttagen 24. und 31. Dezember bzw. auf Zeitausgleich für an diesen Tagen geleistete Arbeitsstunden hat und ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger 4,19 Minuten Erholungszeit pro Arbeitsstunde zu gewähren.
Der Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen seit 1986 beschäftigt. Seit 1982 ist er Mitglied der Deutschen Postgewerkschaft, die später in der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) aufgegangen ist. Arbeitsvertraglich ist im zwischen dem Kläger und der Deutschen B. geschlossenen Arbeitsvertrag vom 1. Februar 1991 die Geltung der "für das in Art. 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet vereinbarten Bestimmungen des Tarifvertrages für die Angestellten/Arbeiter der Deutschen Bundespost TELEKOM (TVAng. (Ost) bzw. TV Arb. (Ost)) und der sonstigen für das genannte Gebiet vereinbarten Tarifverträge der Deutschen Bundespost TELEKOM in ihrer jeweils geltenden Fassung" vereinbart.
Zum 1. Januar 1995 ging das Arbeitsverhältnis auf die Deutsche T. AG (im Folgenden: DTAG) über. Diese wendete auf das Arbeitsverhältnis die bei ihr geschlossenen Tarifverträge an. Ab dem 1. Januar 2007 wurde der Kläger als Servicetechniker mit der Aufgabenträgernummer (AtNr.) X3316 im "One Site Service" im Außendienst eingesetzt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben des Personalservice der DTAG vom 19. Dezember 2006 (Bl. 262 d. A.) verwiesen. Mit Wirkung ab dem 25. Juni 2007 ging das Arbeitsverhältnis im Wege eines Betriebsüberganges auf die Beklagte über.
Zu den von der DTAG bis zum Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte angewandten Tarifverträgen gehörten u. a. der Manteltarifvertrag vom 1. März 2004 (im Folgenden: MTV DTAG) und der Tarifvertrag Erholungszeit in der Fassung vom 7. Juni 2006 (im Folgenden: TV Erholungszeit DTAG). Für die Beklagte gilt der mit ver.di abgeschlossene Manteltarifvertrag vom 25. Juni 2007 (im Folgenden: MTV DTTS). Ferner ist die Beklagte an den am 25. Juni 2007 in Kraft getretenen Tarifvertrag Erholungszeit (im Folgenden TV Erholungszeit DTTS) gebunden.
Hinsichtlich der Arbeit an Vorfesttagen enthalten der MTV DTAG und der MTV DTTS im jeweiligen "Abschnitt II Regelungen zur Arbeitszeit" auszugsweise folgende Regelungen:
MTV DTAG:
"§ 16 Arbeit an Vorfesttagen
(1) Als Arbeit an Vorfesttagen gilt die am 24. Dezember und am 31. Dezember sowie am Samstag vor Ostersonntag und Pfingstsonntag in der Zeit von 14.00 Uhr bis 24.00 Uhr geleistete Arbeit.
(2) Am 24. Dezember und am 31. Dezember wird, soweit es die dienstlichen bzw. betrieblichen Verhältnisse zulassen, Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Monatsentgelts gewährt.
(3) Kann die Arbeitsbefreiung nach Absatz 2 aus betrieblichen Gründen nicht erfolgen, wird dem Arbeitnehmer spätestens bis zum 30. Juni des Folgejahres an einem anderen Arbeitstag ein zusammenhängender Zeitausgleich in Höhe der erbrachten Arbeitsleistung unter Fortzahlung des Monatsentgelts gewährt.
(4) Für Arbeitsleistungen am 24. Dezember und am 31. Dezember wird neben dem vorgenannten Zeitausgleich kein Zuschlag für Sonntagsarbeit oder Feiertagsarbeit gewährt. S...