Entscheidungsstichwort (Thema)
Kleinbetriebsklausel. Unternehmen mit mehreren Betrieben
Leitsatz (amtlich)
„Die Anwendung der Kleinbetriebsklausel des § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG führt zu einer Benachteiligung des gekündigten Arbeitnehmers gegenüber den Arbeitnehmern, die nicht in einem Kleinbetrieb tätig sind. Daher unterfällt ein Kleinbetrieb § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG nur, wenn auf ihn alle Gesichtspunkte zutreffen, die den Ausschluß des allgemeinen Kündigungsschutzes nach Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen, d.h., es müssen neben der für einen Kleinbetrieb typischen Art der Zusammenarbeit der Arbeitnehmer und des Arbeitgebers auch eine geringe Finanzausstattung und Verwaltungskapazität des Unternehmens vorliegen.”
Normenkette
KSchG § 23 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 08.07.1999; Aktenzeichen 81 Ca 39382/98) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. Juli 1999 – 81 Ca 39382/98 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung. Dabei ist vor allem umstritten, ob der Kläger den allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz genießt.
Der Kläger war seit dem 25. Oktober 1972 bei den … auf deren Werksgelände … Berlin beschäftigt, wobei er seit 1976 als Schiffbauhelfer in der Tischlerei tätig wurde. Die Tischlerei wurde zum 01. Februar 1998 auf die Beklagte übertragen, die in … eine Bau- und Möbeltischlerei betreibt. In der dortigen Betriebsstätte sind ca. 80 bis 90 Arbeitnehmer beschäftigt, während in der Tischlerei in Berlin zuletzt insgesamt drei Arbeitnehmer tätig waren.
Die Beklagte, die dem Kläger unter dem 14. und 15. Dezember 1998 zwei Abmahnungen erteilt hatte, kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 18. Januar 1999 zum 31. August 1999 und bot dem Kläger die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an. Wegen der Einzelheiten des Änderungsangebots wird auf das Kündigungsschreiben (Kopie Bl. 22 f. d. A.) verwiesen. Der Kläger nahm mit Schreiben vom 03. Februar 1999 die geänderten Arbeitsbedingungen unter dem Vorbehalt des sozialen Rechtfertigung an. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis ferner mit Schreiben vom 28. April 1999 fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 31. Oktober 1999 sowie erneut mit Schreiben vom 11. August 1999 zum 29. Februar 2000.
Mit seiner Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigungen vom 18. Januar und 28. April 1999 sowie gegen die erteilten Abmahnungen gewandt; er hat ferner die Zahlung vermögenswirksamer Leistungen gefordert. Die Kündigung vom 11. August 1999 ist Gegenstand eines weiteren Rechtsstreits der Parteien. Die Beklagte ist der vorliegenden Klage entgegengetreten. Sie hat dabei die Auffassung vertreten, der Kläger sei in einem Kleinbetrieb i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG tätig; das mit der Änderungskündigung vom 18. Januar 1999 verbundene Änderungsangebot könne daher nicht auf seine soziale Rechtfertigung hin überprüft werden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage durch ein am 08. Juli 1999 verkündetes Urteil entsprochen und dabei u.a. festgestellt, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen des Klägers durch die Kündigung vom 18. Januar 1999 unwirksam ist. Es hat zur Begründung in diesem Zusammenhang ausgeführt, die Beklagte betreibe lediglich einen Betrieb mit Betriebsstätten in Berlin und Hohendorf, so daß der Kläger für sich allgemeinen Kündigungsschutz in Anspruch nehmen könne. Die Beklagte habe keine Umstände vorgetragen, die das Änderungsangebot sozial rechtfertigen könnten. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteil verwiesen. Gegen dieses ihr am 10. August 1999 zugestellte Urteil richtet sich die am 07. September 1999 eingelegte Berufung der Beklagten, die sie mit einem am 06. Oktober 1999 eingegangenen Schriftsatz begründet hat und mit der sie sich lediglich gegen die zur Änderungskündigung vom 18. Januar 1999 getroffenen Feststellungen wendet. Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dem Kläger stehe ein allgemeiner Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz nicht zu, da sie zwei eigenständige Betriebe in Berlin und Hohendorf führe. Die Betriebsstätte in Berlin sei nach Aufgabenbereich und Organisation eigenständig. Die Art der Arbeit des Berliner Betriebes rechtfertige es, ihn als Kleinbetrieb i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG anzusehen, auch wenn eine geringe finanzielle und organisatorische Leistungsfähigkeit nicht vorliege und die Geschäftsführer nicht vor Ort mitarbeiteten.
Die Beklagte beantragt,
unter teilweiser Änderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 08. Juli 1999 – 81 Ca 39382/98 – die gegen die Änderungskündung vom 18. Januar 1999 gerichtete Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Berufung für unbegründet. Die Betriebsstätten in Berlin und Hohendorf bildeten einen Betrieb, der von de...