Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristungsprognose. gesteigerte Anforderungen. EU-Zeitrente
Leitsatz (amtlich)
Die Prognose für die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeits-Rente auf Zeit und die Prognose für den Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrages haben unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe. Die Erwerbsunfähigkeits-Rente auf Zeit wird bewilligt, wenn das Ende der Erwerbsunfähigkeit eintreten kann, also – ergebnisoffen – möglich ist. Die wiederholte Vereinbarung einer Befristung erfordert die objektivierte Erwartung, der Bedarf werde diesmal zu Ende sein.
Normenkette
BGB § 620; SGB VI § 102 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 03.04.1997; Aktenzeichen 59 Ca 47208/96) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 03. April 1997 – 59 Ca 47208/96 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses infolge Fristablaufs.
Dem liegt der folgende Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin war seit dem 1. Juli 1991 aufgrund mehrerer befristeter Verträge bei dem beklagten Land in der Kindertagesstätte … des Bezirksamtes Tempelhof von Berlin. Abteilung Jugend und Sport, als Reinigungskraft zum monatlichen Bruttoentgelt von 2.300,– DM tätig. Mit dem letzten Arbeitsvertrag vom 18. März 1996 vereinbarten die Partejen mit Wirkung ab 1. April 1996 erneut ein befristetes Arbeitsverhältnis, und zwar bis zum 30. November 1996. Als Befristungsgrund ist im Vertrag angegeben
„für die Dauer der Rente der Frau … längstens bis zum 30.11.1996”.
Wegen des Vertrages im übrigen wird auf die Ablichtung (Bl. 3 und 4 d.A.) verwiesen. Frau … war zunächst bei dem Beklagten im Bereich des Bezirksamtes Tempelhof von Berlin, Abteilung Gesundheit und Soziales, in einem Seniorenheim als Reinigerin/Küchenarbeiterin unbefristet beschäftigt. Am 9. November 1994 erkrankte Frau … langfristig. Die Arbeit im Altenheim wurde an ein Drittunternehmen vergeben, ihre Haushaltsstelle der Abteilung Jugend und Sport zugewiesen. Frau … nahm ihre Arbeit in diesem Bereich jedoch nie auf. Vielmehr bewilligte ihr die LVA Berlin mit Bescheid vom 14. Dezember 1995 rückwirkend für die Zeit vom 1. Juni 1995 befristet bis zum 30. November 1996 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Mit Bescheid vom 24. Oktober 1996 wurde Frau … sodann eine Dauererwerbsunfähigkeitsrente bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres bewilligt.
Mit ihrer am 4. Dezember 1996 beim Arbeitsgericht Berlin eingereichten Feststellungsklage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Befristung mangels sachlichen Grundes geltend gemacht. Sie hat behauptet, sie habe Frau … nie vertreten. Insbesondere aber habe das beklagte Land angesichts der nur befristeten Gewährung der Erwerbsunfähigkeitsrente nicht davon ausgehen können, die erkrankte Arbeitnehmerin werde ihre Arbeit wieder aufnehmen, da dies bei befristeten EU-Renten eine seltene Ausnahme darstelle.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß sich die Parteien über den 30. November 1996 hinaus in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis befinden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Durch Urteil vom 3. April 1997 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 28 u. 29 d.A.) verwiesen.
Gegen dieses der Klägerin am 22. Mai 1997 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 20. Juni 1997 beim Landesarbeitsgericht Berlin eingereichte Berufung, die sie mit einem am 18. Juli 1997 eingegangenen Schriftsatz wie folgt begründet:
Sie meint zunächst, der Arbeitsplatz der Frau … sei durch die Vergabe ihres Aufgabenbereiches an eine Drittfirma tatsächlich weggefallen. Insofern bestreitet sie die Versetzung der Frau … an die Kindertagesstätte aus der Stelle von der Abteilung Gesundheit und Soziales der Abteilung Jugend und Sport zugewiesen worden seien.
Selbst wenn aber ein Vertretungsfall vorliege, mangele es hier am sachlichen Grund für die Befristung. Denn der Arbeitgeber müsse darlegen, daß er damit habe rechnen müssen, die ausgefallene Kraft werde ihre Arbeit wieder aufnehmen. Im Normalfall einer Erkrankung müsse der Arbeitgeber zwar mit Gesundung des erkrankten Arbeitnehmers rechnen, da die dauerhafte Arbeitsunfähigkeit eine Ausnahme darstelle. Ein solcher Regelfall liege hier indessen nicht vor. Insofern obliege es dem Beklagten darzulegen, daß er mit der Rückkehr und Arbeitsaufnahme der Frau … habe rechnen müssen. Tatsächliche Anhaltspunkte für eine derartige Prognose könnten dem EU-Rentenbescheid jedoch nicht entnommen werden. Zum einen handele es sich hierbei um die Prognose eines Dritten. Zum zweiten stelle die nur befristete Berentung nicht einmal ein Indiz für eine zu erwartende Arbeitsfähigkeit nach Fristablauf dar. Es sei inzwischen Praxis der Rentenversicherungsträger, Erwerbsunfähigkeitsrenten grundsätzlich zunächst nur befristet zu bewilligen. Nur in Ausnahmefällen, da die Wiederherstellung der Arbeitsfähi...