Entscheidungsstichwort (Thema)
Beteiligung des Bezirkspersonalrates an der Kündigung eines Arbeitnehmers einer schon aufgelösten Dienststelle
Leitsatz (amtlich)
Wenn nach der endgültigen Auflösung einer Dienststelle und dem daraus folgenden Wegfall des Personalrates ein ursprünglich dieser Dienststelle angehörender Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis über den Zeitpunkt der Auflösung der Dienststelle fortbesteht, gekündigt werden soll, dann ist mangels Zuordnung dieses Arbeitnehmers zu einer anderen Dienststelle in entsprechender Anwendung von § 82 Abs. 1 BPersVG die Stufenvertretung vor dem Ausspruch der Kündigung zu beteiligen. Die ohne jedwede Beteiligung einer Personalvertretung ausgesprochene Kündigung eines solchen keiner Dienststelle (mehr) zugeordneten Arbeitnehmers verstößt gegen § 79 Abs. 4 BPersVG.
Normenkette
BPersVG § 82 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 19.05.1993; Aktenzeichen 70 Ca 30.918/92) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19. Mai 1993 – 70 Ca 30.918/92 – geändert:
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 22. Oktober 1992 nicht aufgelöst worden ist.
II. Die in der Berufungsinstanz erweiterte Klage wird abgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen
für die erste Instanz allein die Beklagte; für die Berufungsinstanz – bei einem neuen Streitwert von DM 12.000,– die Beklagte zu 75 % und der Kläger zu 25 %.
IV. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die von der Beklagten auf die im Einigungsvertrag vorgesehenen Sondervorschriften für den öffentlichen Dienst gemäß Anlage I, Kapitel XIX, Sachgebiet A, Abschnitt III, Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 2 und 3 (im folgenden: Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 2, 3) gestützt worden ist. Diesem Streit liegt der folgende Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger, der bereits seit 1962 als Musikarchivar im … der Nationalen Volksarmee der ehemaligen DDR beschäftigt war, ist mit Wirkung ab 3. Oktober 1990 – nunmehr als Musikarchivar im … – gegen ein monatliches Gehalt von 3.000,– DM brutto weiterbeschäftigt worden.
Für dieses … (ehemals …) war ein Personalrat gebildet. Nachdem die Beklagte die Entscheidung getroffen hatte, dieses Musikensemble zum 30. Juni 1991 aufzulösen, ist der Kläger in einem für die Abwicklung des Musikensembles gebildeten Nachkommando, das seine Aufgaben mit dem 31. März 1992 abgeschlossen hat, beschäftigt worden. In dieser Zeit war der Kläger, der der einzige Arbeitnehmer im Musikarchiv war, weiterhin in dem zunächst am alten Standort in … verbliebenen Musikarchiv tätig und unterstützte unterschiedliche Musikgruppen, die das Musikarchiv mit Zustimmung der Bundeswehr noch nutzen durften. Mit dem Abschluß der Arbeiten des Nachkommandos am 31. März 1992 ist die ursprüngliche Dienststelle … endgültig aufgelöst worden. Der Kläger seinerseits ist mit Wirkung ab 1. April 1992 von der Arbeit freigestellt worden.
Eine von der Beklagten am 28. August 1991 mit Wirkung zum 30. April 1992 ausgesprochene ordentliche Kündigung des Klägers ist durch ein rechtskräftig gewordenes Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 18. Juni 1992 für unwirksam erklärt worden.
Nach dem 31. März 1992 wurden die Bestände des Musikarchivs dem Bundesarchiv übertragen und werden seitdem ebenso wie die Bestände des Musikarchivs der DDR in dem militärischen Zwischenarchiv in … gelagert, um diese später dem in … ansässigen Militärarchiv zuzuordnen.
Mit einem Schreiben vom 2. Oktober 1992, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (vgl. Bl. 7 d.A.), kündigte die Wehrbereichsverwaltung VII als die für personelle Maßnahmen zuständige Dienststelle das Arbeitsverhältnis des Klägers ohne vorangegangene Beteiligung der bei der Wehrbereichsverwaltung VII gebildeten Stufenvertretung das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Wirkung zum 30. Juni 1993.
Mit seiner am 13. November 1992 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage hat der Kläger die Wirksamkeit dieser ihm am 27. Oktober 1992 zugegangenen Kündigung bestritten.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das Musikarchiv als solches sei nicht aufgelöst worden; die in ihm vorhandenen Bestände müßten weiter gepflegt und bearbeitet werden.
Weiterhin hat der Kläger die Auffassung vertreten, der bei der Wehrbereichsverwaltung VII gebildete Bezirkspersonalrat hätte vor Ausspruch der Kündigung des Klägers beteiligt werden müssen.
Schließlich hat der Kläger die Rechtsansicht geäußert, er sei angesichts seines Lebensalters in besonderem Maße schutzbedürftig und hätte bei einer anderen Dienststelle der Bundeswehr, beispielsweise bei der Standortverwaltung …, weiterbeschäftigt werden können. Seine entsprechende Bewerbung bei der Standortverwaltung … sei von dieser zurückgewiesen worden. In diesem Zusammenhang hat der Kläger behauptet, es seien nicht sämtliche Arbeitnehmer des … gekündigt worden; vielmehr wären 19 Ar...