rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Entfernung einer unberechtigten Abmahnung und tarifliche Ausschlußfrist
Leitsatz (amtlich)
1 Bei dem Anspruch auf Entfernung einer unberechtigten Abmahnung aus den Personalakten des Arbeitnehmers handelt es sich um einen „Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis” im Sinne von § 70 BAT, so daß er der tariflichen Ausschlußfrist unterliegt.
2. In der Regel liegt eine ordnungsgemäße, fristwahrende Geltendmachung von Arbeitnehmer-Ansprüchen zur Wahrung einer tariflichen Ausschlußfrist nicht vor, wenn der Personalrat die Zurücknahme einer Abmahnung verlangt.
Normenkette
BGB §§ 242, 611, 823 Abs. 1, § 1004; BAT §§ 13, 70
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 04.08.1993; Aktenzeichen 96 Ca 12.410/93) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 4. August 1993 – 96 Ca 12.410/93 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Der Kläger steht seit dem 1. Dezember 1978 als medizinischtechnischer Radiologieassistent (MTR) in den Diensten des beklagten Landes und wird im Krankenhaus beschäftigt.
Am 6. Juni 1992 erhielt der Kläger den Auftrag, zwei Patienten der Station 14 a zu röntgen. Da kein Pflegepersonal anwesend war, bat der Kläger eine seiner Mitarbeiterinnen, ihm bei der Röntgenaufnahme des einen Patienten behilflich zu sein. Gemeinsam mit ihr hob der Kläger den Patienten an, um die Röntgenkassette unter seinen Rücken zu legen. Dabei rutschte der Tubus aus der Nase des Patienten heraus. Der Kläger steckte den Tubus dem Patienten in den Mund, damit dieser Sauerstoff erhielt und führte bis zum Eintreffen der Ärztin und der Krankenschwester die Röntgenaufnahme durch.
Am 15. Juni 1992 wurde der Kläger von dem kommissarischen Verwaltungsleiter des Krankenhauses zu dem Vorfall angehört. Im Rahmen der Anhörung äußerte er, daß es ihm trotz allem leid tue, daß es zu diesem Vorfall gekommen sei.
Mit Schreiben vom 3. Juli 1992 erteilte das Krankenhaus … dem Kläger wegen des Vorfalles vom 6. Juni 1992 eine schriftliche Abmahnung, in der es unter anderem heißt:
„Diese Abmahnung wird außerhalb ihrer Personalakte in einer Beiakte drei Jahre lang aufbewahrt und nach Ablauf dieser Frist mit Ihrer Zustimmung vernichtet. Die Dreijahresfrist beginnt neu zu laufen, wenn während des Laufs der Frist erneut Abmahnungsvorfälle anfallen.”
Am 15. Juli 1992 richtete der Vorsitzende des im Krankenhaus … bestehenden Personalrates an die Krankenhaus Verwaltung ein Schreiben, das auszugsweise wie folgt lautet:
„…
Uns gegenüber beteuerte Herr …, daß er seine Arbeit immer gewissenhaft ohne einen Zeitfaktor ausüben würde, um nicht das Leben der Patienten zu gefährden. Er würde auch stets fachkundiges Personal hinzuziehen, wenn es nötig ist.
Wir bitten Sie deshalb, die Abmahnung zurückzunehmen.”
Mit Schreiben vom 20. Juli 1992 teilte das Krankenhaus … dem Personalrat mit, daß es sich aufgrund aller Umstände, die im Zusammenhang mit dem Zwischenfall stünden, außerstande sehe, die Abmahnung zurückzunehmen.
Mit Schreiben vom 31. März 1993 erhielt der Kläger eine weitere schriftliche Abmahnung.
Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 5. Mai 1993 eingegangenen und dem Beklagten am 17. Mai 1993 zugestellten Klage hat der Kläger die Entfernung der fraglichen Abmahnungen aus seinen Personalakern verlangt. Hinsichtlich der ersten Abmahnung hat er geltend gemacht, daß ihm kein uneingeschränktes Anhörungsrecht vor dem Ausspruch der Abmahnung zugebilligt worden sei. Auch sei der Vorwurf, er, der Kläger, habe gegen ein Verfahren über die Lagerung der an das Beatmungsgerät angeschlossenen Patienten verstoßen, unzutreffend.
Er habe auch, so hat der Kläger weiter ausgeführt, die Entfernung der Abmahnung gegenüber der Verwaltungsleitung rechtzeitig geltend gemacht, und zwar durch das Schreiben des Personalrates vom 15. Juli 1992. Auf jeden Fall sei die Berufung des beklagten Landes auf einen etwaigen Ablauf der tarifvertraglichen Ausschlußfrist als unzulässige Rechtsausübung zu qualifizieren und deshalb unbeachtlich.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, die Abmahnungen des Krankenhauses … vom 3. Juli 1992 und vom 31. März 1993 aus seinen Personalakten zu entfernen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich der Abmahnung vom 3. Juli 1992 hat sich der Beklagte auf den Standpunkt gestellt, daß diese zu Recht ergangen sei. Ungeachtet dessen habe der Kläger die Ausschlußfrist des § 70 BAT nicht beachtet.
Der Ausspruch der Abmahnung vom 31. März 1993 sei ebenfalls sachlich gerechtfertigt, weil der Kläger gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen habe, indem er am 22. Januar 1993 eine Patientin, deren Röntgenschein nicht vorgelegen habe, nicht geröntgt habe, weil der Röntgenschein von der Stationsschwester direkt in die Röntgenabteilung nachgereicht worden sei. Ferner habe der Kläger am 25. Januar 1993 zwischen 7.30 Uhr und 8.00 Uhr eine Patientin nicht mit der nötigen Sorgfalt behandelt, so daß diese gewimmert habe. Eine weitere Pflichtverletzung habe darin bestan...