Entscheidungsstichwort (Thema)

Geltung des BAT-O bzw. BAT („Rückkehrerfall”). Bedeutung der in einem Mustervertrag enthaltenen Bezugnahme auf den BAT

 

Leitsatz (amtlich)

1. Haben die Arbeitsvertragsparteien in einem Mustervertrag auf den BAT verwiesen, so erwirbt der Arbeitnehmer in der Regel einen vertraglichen Anspruch auf die aus dem BAT folgenden Leistungen, selbst wenn das Arbeitsverhältnis ohne die Verweisung nur dem BAT-O unterfallen würde. Derartige Verweisungsklauseln haben konstitutive, nicht nur deklaratorische Bedeutung (gegen die Rechtsprechung des BAG zur sogenannten „korrigierenden Rückgruppierung”).

2. Der BAT gilt in den neuen Bundesländern räumlich neben dem BAT-O, persönlich jedoch nur für diejenigen Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse in den alten Bundesländern begründet worden sind.

3. Wird hiernach ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, dessen Arbeitsverhältnis in West-Berlin begründet wurde und dem BAT unterfällt, auf Dauer zur Arbeitsleistung in den Ostteil Berlins versetzt, so bleibt für ihn die Geltung des BAT erhalten.

4. Wird einem Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, dessen Arbeitsverhältnis im Ostteil Berlins begründet worden ist und dem BAT-O unterfällt, auf Dauer ein Arbeitsplatz im Westteil Berlins zugewiesen, und äußert der Arbeitgeber dabei keine Absicht, den Arbeitnehmer zu einem späteren Zeitpunkt wieder in den Osten umzusetzen, so geht der räumliche Bezug des Arbeitsverhältnisses zum Beitrittsgebiet verloren; das Arbeitsverhältnis unterfällt dann (auf Dauer) dem BAT, selbst wenn der Arbeitnehmer später doch wieder in den Osten umgesetzt wird.

 

Normenkette

BAT § 1; BAT-O § 1; BGB §§ 133, 157

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 20.02.1997; Aktenzeichen 92 Ca 29726/96)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 20. Februar 1997 – 92 Ca 29726/96 – geändert:

  1. Es wird festgestellt, daß auf das zwischen den Partejen bestehende Arbeitsverhältnis jedenfalls seit 1. August 1995 die Bestimmungen des BAT und nicht diejenigen des BAT-O anwendbar sind.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem beklagten Land auferlegt.
  3. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob auf ihr Arbeitsverhältnis östliches oder westliches Tarifrecht (BAT/BAT-O) Anwendung findet („Ost-West-Ost-Fall”).

Der Kläger war seit 1986 bei der Deutschen Volkspolizei (Schutzpolizei) als Hauptwachtmeister beschäftigt und wurde nach der Vereinigung der Landeshälften vom beklagten Land im Bereich des Polizeipräsidenten als Angestellter weiterbeschäftigt. Mit Wirkung ab 20. Oktober 1990 wurde er der in Westberlin residierenden Einsatzbereitschaft … der Direktion … „dauerhaft bzw. auf nicht absehbare Zeit” zugewiesen und leistete seine Dienste dort; seit 1991 ist er Mitglied der Gewerkschaft der Polizei im DGB. Nach (organisationsbedingter) Auflösung der Einsatzbereitschaften wurde der Kläger ab Anfang 1993 einer Direktionshundertschaft in der Direktion … zugeteilt und leistete seine Dienste weiterhin im Westteil der Stadt, während sich seine Vergütung und die sonstigen Arbeitsbedingungen zunächst, wie zuvor, nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – manteltarifrechtliche Vorschriften – (BAT-O) richteten. Durch Schreiben vom 29. März 1993 (Kopie Bl. 64 f. d.A.) teilte der Polizeipräsident ihm mit, in Beachtung der „Posturteile” des Bundesarbeitsgerichts vom 30. Juli 1992 (6 AZR 11 und 12/92) erhalte er rückwirkend ab 1. Februar 1992 Bezüge nach dem BAT.

Seit 14. Juni 1993 wurde der Kläger in der Verbrechensbekämpfung als Angestellter im Ermittlungsdienst im Bereich der Direktion … weiterverwendet und leistete seine Dienste weiterhin im Westteil Berlins. Am 22. Dezember 1993 unterzeichnete er einen ihm vorgelegten schriftlichen Arbeitsvertrag (Kopie Bl. 69 d.A.), in dem es heißt:

„Für das Arbeitsverhältnis sind maßgebend:

  1. Der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) unter Berücksichtigung der jeweils in Frage kommenden Sonderregelungen mit allen künftigen Änderungen und Ergänzungen …”,

in dem andererseits das Arbeitsverhältnis auf den 31. Dezember 1997 befristet wurde; einen Grund für diese Befristung haben die Parteien nicht vorgetragen.

Mit Wirkung ab 5. April 1994 wurde dem Kläger eine Arbeitsstelle im Ostteil Berlins auf Dauer zugewiesen; er erhielt weiterhin Leistungen nach dem BAT. Am 13. Februar 1995 wurde der Kläger in die für ihn zuständige Personalstelle gerufen, wo man ihm mitteilte, sein Arbeitsvertrag werde nunmehr entfristet; er unterzeichnete einen vorbereiteten schriftlichen Arbeitsvertrag (Kopie Bl. 5 f. d.A.), in dem es heißt, er werde

„ab 14. Juni 1993 als vollbeschäftigter Angestellter im Ermittlungsdienst mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit gemäß § 15 BAT auf unbestimmte Zeit weiterbeschäftigt.

Für das Arbeitsverhältnis sind maßgebend:

  1. Der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) unter Berücksichtigung der jeweils in Frage kommenden Sonderregelungen mit allen künftigen Änderungen und Ergänzungen …”.

Dur...

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