Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Substantiiertheit eines Sachvortrages für einen Beweisantritt. Ausforschungsbeweis. Behauptung „ins Blaue hinein”
Leitsatz (amtlich)
Ein allgemein gehaltener Sachvortrag, der in einem frühen Stadium des Prozesses als (noch) schlüssig angesehen werden kann, kann unsubstantiiert und damit unschlüssig werden, wenn er ohne jegliche Auseinandersetzung mit dem Sachvortrag des Gegners in abstrakter Form aufrechterhalten bleibt. Für eine Beweisaufnahme ist er dann nicht mehr geeignet. Dies gilt umso mehr, wenn er „ins Blaue hinein” und ohne tatsächliche Anhaltspunkte für seine Richtigkeit aufgestellt bzw. aufrechterhalten wird.
Normenkette
VTV-Bau § 1 Abs. 2 Abschn. V Nrn. 10, 25, 36; ZPO § 359 Nr. 1
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 9. September 2003 – 98 Ca 60737/03 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Auskunftsanspruch nach § 21 des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe für die Zeit Oktober bis Dezember 2002.
Durch Urteil vom 09.09.2003, auf dessen Tatbestand wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz Bezug genommen wird (Bl. 34 f. d. A.) hat das Arbeitsgericht Berlin die Klage mit dem Antrag
den Beklagten zu verurteilen,
- dem Kläger auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen, wie viel gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Oktober bis Dezember 2002 in dem Betrieb des Beklagten beschäftigt wurden, welche Bruttolohnsumme und welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer in den jeweils genannten Monaten angefallen sind,
- für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, an den Kläger eine Entschädigung in Höhe von 675,– EUR
zu zahlen,
abgewiesen, im Wesentlichen mit der Begründung: Die allgemeine Behauptung des Klägers, der Beklagte habe mit seinem Betrieb im Klagezeitraum arbeitszeitlich überwiegend Tiefbauarbeiten verrichtet, habe der Beklagte substantiiert bestritten; mit diesem Sachvortrag des Beklagten habe sich der Kläger seinerseits nicht mehr auseinandergesetzt, so dass das Klagevorbringen unschlüssig geworden sei. Der Prüfbericht des Arbeitsamts S. vom 07.07.1998 sei unergiebig, weil die Arbeitsamtsprüfer nicht angegeben hätten, andere Unterlagen als die Gewerbeanmeldung des Beklagten eingesehen zu haben; außerdem liege der Bericht schon mehr als vier Jahre zurück und ergebe schon deshalb keine Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben des Beklagten über die Betriebsentwicklung nach dieser Zeit unrichtig seien. Auch das vorprozessuale Schreiben des Beklagten vom 05.08.2002 ergebe nichts über den vom Kläger behaupteten Umfang etwaiger Tiefbauarbeiten. Der als Zeuge benannte einzige Arbeitnehmer des Beklagten sei nicht zu vernehmen, da es an hinreichenden Tatsachenbehauptungen über Art, Dauer und Lage der betrieblichen Gesamtarbeitszeit sowie eine konkrete Beschreibung der jeweils verrichteten Tätigkeiten nach Datum, Ort und Art der ausgeführten Arbeiten unter näherer Bezeichnung der verwendeten Arbeitsmittel fehle.
Gegen dieses am 25.09.2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 15.10.2003 eingegangen und am 25.11.2003 begründete Berufung des Klägers.
Der Kläger gibt nunmehr unwidersprochen an, der Zeuge R.Sch. sei im Jahr 2002 vom 01. März an als einziger gewerblicher Arbeitnehmer beim Beklagten beschäftigt gewesen, und zwar mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass sein, des Klägers, Vortrag schlüssig und ordnungsgemäß unter Beweis gestellt sei; Angaben über Art, Dauer und Lage der betrieblichen Arbeitszeit sowie eine konkretere Beschreibung der jeweils verrichteten Tätigkeiten seien nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht erforderlich.
Der Kläger beantragt,
das arbeitsgerichtliche Urteil zu ändern und den Beklagten
„wie zuletzt erstinstanzlich beantragt” zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er macht sich die Urteilsbegründung zu Eigen und wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen, insbesondere dazu, dass die in der Gewerbeanmeldung (auch) enthaltene Angabe von „Kran- und Erdarbeiten” daher rühre, dass er im Zeitraum 1993 bis 1996 (auch) Lichtleitungsgräben ausgehoben habe; in den Jahren 2001 und 2002 hätten derartige Arbeiten (unter Einschluss seiner, des Beklagten, persönlichen Mitarbeit) weniger als 10 % umfasst.
Entscheidungsgründe
1.
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und fristgerecht begründet worden. Die Berufungsbegründung enthält inhaltlich ...