Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückweisungen von Kündigungen im Bereich des öffentlichen Dienstes gemäß § 174 BGB
Leitsatz (amtlich)
1. Auch bei Ausspruch einer Kündigung im Bereich des öffentlichen Dienstes gilt § 174 BGB.
2. Mit der Stellung des Sachbearbeiters einer mit Personalangelegenheiten befaßten Abteilung einer Senatsdienststelle ist das Kündigungsrecht nicht derart allgemein verbunden, daß die Arbeitnehmer, die mit dem Sachbearbeiter zu tun haben, davon im Sinne von § 174 Satz 2 BGB in Kenntnis gesetzt wären (BAG AP Nr. 1 und 2 zu § 174 BGB).
Nr 1 BAG 30.5.72 – 2 AZR 298/71 / Nr 2 2 AZR 633/76 30.5.78
3. Das gilt auch, wenn der Personalsachbearbeiter den Arbeitsvertrag „im Auftrage” unterzeichnet hatte (BAG a.a.O.).
Normenkette
BGB § 174
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 05.05.1988; Aktenzeichen 53 Ca 36/87) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 5. Mai 1988 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin – 53 Ca 36/87 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Parteien wurde unter dem 6. April 1987 ein bis zum 31. März 1988 befristeter Arbeitsvertrag geschlossen, der eine Tätigkeit des Klägers beim Gartenbauamt gegen ein monatliches Entgelt von 1.951,34 DM brutto bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden zum Gegenstand hatte. Die Einstellung erfolgte im Rahmen allgemeiner Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem Arbeitsförderungsgesetz. Hinsichtlich der sonstigen Arbeitsbedingungen wird auf den schriftlich niedergelegten Arbeitsvertrag (Hülle Bl. 18 d.A.) verwiesen. In ihm ist bestimmt, daß auf das Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag über die Arbeitsbedingungen für die im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem Arbeitsförderungsgesetz beschäftigten Arbeiter in der Fassung vom 28. November 1986 Anwendung findet.
Da gemäß Nr. 12 der Durchführungsverordnung zum allgemeinen Zuständigkeitsgesetz vom 22. November 1984 die Durchführung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu den Vorbehaltsaufgaben der Hauptverwaltung gehört und damit in den Zuständigkeitsbereich des Senators für Wirtschaft und Arbeit fällt, wurde der Arbeitsvertrag für den Beklagten durch den Senator für Wirtschaft und Arbeit abgeschlossen. Er wurde von dem bei dem Senator für Wirtschaft und Arbeit im Bereich des Referats VI D beschäftigten Personalsachbearbeiter Herrn … unterzeichnet.
Unter dem 29. September 1987 fertigte der Beklagte ein an den Kläger gerichtetes Schreiben, das diesem am 2. Oktober 1987 zuging. Das Schreiben war auf einem Formular abgefaßt und enthielt die Mitteilung, daß das Beschäftigungsverhältnis des Klägers im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen mit Ablauf des 9. Oktober 1987 ende. Von den darunter vorgerückten Beendigungsmöglichkeiten war folgende angekreuzt:
„Durch fristgemäße Kündigung seitens des Arbeitgebers.” Das Schreiben war von dem Personalsachbearbeiter Herrn … mit dem Zusatz „Im Auftrag” unterschrieben.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schreibens vom 29. September 1987 (Hülle Bl. 17 d.A.) verwiesen.
Zum Zeitpunkt des Zugangs des Schreibens vom 29. September 1987 galt bei dem Beklagten für den Bereich VI D 3 Arbeiter –, in den Personalangelegenheiten der ABM-Arbeiter fielen, eine Regelung über die Zeichnungsbefugnis, nach der die Zeichnungsbefugnis der Gruppenleitung – VI D 32/33 – in folgenden Angelegenheiten oblag:
„…
- Schwierige Angelegenheiten der ABM-Arbeiter und Jugendlichen
- unbezahlter Urlaub
- Rückforderung überzahlter Löhne
- Schriftwechsel mit SenInn
- Zeugnisse
…”
Hinsichtlich der Zeichnungsbefugnis der Personalsachbearbeiter – VI D 321–326 und VI D 331–335 war folgendes geregelt:
„Generell gilt der unter I. aus der GGO I zitierte Grundsatz, daß jeder Sachbearbeiter die Verfügungen schlußzeichnet, die er abschließend bearbeitet. Dies gilt insbesondere in den folgenden Fällen:
- Genehmigung der Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen,
- Sonderurlaubsgenehmigungen,
- Arbeitsbefreiung zur Pflege der erkrankten Kinder,
- Arbeitsunfälle,
- Arbeitsverträge und Änderungen der Arbeitsverträge,
- Verlängerungen von Beschäftigungsverhältnissen.
- Auflösungsverträge.
- Abläufe,
- Arbeitsbescheinigungen
Bei schwierigen Entscheidungen ist der Vorgang dem zuständigen Gruppenleiter vor Abgang zur Kenntnis zu geben …”.
Hinsichtlich der Einzelheiten der vorgenannten Regelung wird auf deren zu den Akten eingereichtes Exemplar (Bl. 12 bis 13 d.A.) verwiesen.
Mit Schreiben vom 5. Oktober 1987 (Hülle Bl. 18 d.A.) wies der Prozeßbevollmächtigte des Klägers das Schreiben vom 29. September 1987 in dessen Auftrag zurück mit der Begründung, es stelle keine Kündigung dar, sollte es dennoch als solche zu werten sein, erfolge die Zurückweisung nach § 174 BGB, da eine Vollmachtsurkunde für denjenigen, der das Schreiben unterzeichnet habe, nicht vorgelegt wurde.
Nach Zugang dieses Schreibens wurde bei dem Beklagten eine neue Regelung der Zeichnungsbefugnis für den Bereich VI D 3 – Arbeiter – gefertigt, in...