Entscheidungsstichwort (Thema)
Bezugnahme auf TV. Auslegung im Einzelfall
Leitsatz (redaktionell)
Die Auslegung einer allgemeinen arbeitsvertraglichen Verweisung auf den BAT kann ergeben, dass die Arbeitsvertragsparteien Fragen der Vergütung und der Arbeitszeit denjenigen Regelungen unterwerfen, die im Lande Berlin gelten.
Normenkette
BAT; BGB §§ 133, 157, 611
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 06.08.2004; Aktenzeichen 74 Ca 9612/04) |
Nachgehend
Tenor
I.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 06. 08. 2004 – 74 Ca 9612/04 – geändert:
- Die Klage wird abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
II.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die seit dem 1. August 1989 als Erzieherin beschäftigte Klägerin wendet sich gegen die von der Beklagten, einer kirchlichen Einrichtung, die im Bereich der Alten-, Behinderten- und Jugendhilfe tätig ist, am 1. Januar 2004 vorgenommene Absenkung der Arbeitszeit und Vergütung um 8 %, die diese auf der Grundlage des „Tarifvertrages zur Anwendung von Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes (Anwendungs-TV Land Berlin)” vom 31. Juli 2003 vorgenommen hat.
Im Arbeitsvertrag vom 1. August 1988 (Bl. 42 d.A.) haben die Parteien unter anderem folgende Abrede getroffen:
„Eingruppierung und Vergütung erfolgen für Angestellte nach dem Bundesangestellten-Tarifvertrag – BAT – Bund/Länder und für Lohnempfänger nach dem Bundesmanteltarifvertrag – BMT/G -
Gesamtbruttomonatsbezüge …
Die Arbeitszeit beträgt zur Zeit 40 Stunden/Woche.
Grundlage dieses Arbeitsvertrages sind im Übrigen die Arbeitsvertragsrichtlinien des D. Werkes der E. Kirche in Deutschland in der jeweils gültigen Fassung.”
In der Folgezeit gab es diesbezüglich verschiedene Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrages, die sich jeweils auch auf die Arbeitszeiten beziehen. So ist im Vertrag vom 26. Mai 1999 (Bl. 45 d.A.) festgelegt: „Die Arbeitszeit beträgt z.Z. 9,63 Stunden/Woche, 25 % eines Vollbeschäftigten”. In der zuletzt maßgeblichen Änderung vom 23. Oktober 2001 (Bl. 50 d.A.) heißt es: „Erhöhung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf 75 % (vorher 50 % = 19,25 Stunden/Woche) unbefristet, entsprechend 28,88 Stunden”.
Am 31. Juli 2003 wurde zwischen dem Land Berlin und den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes ein „Tarifvertrag zur Anwendung von Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes (Anwendungs-TV Land Berlin)” geschlossen, der unter anderem eine Absenkung der Arbeitszeit auf 92 %, 90 % oder 88 % je nach Vergütungsgruppe und eine kongruente Absenkung der Vergütung vorsieht.
Die Beklagte hatte im Herbst 2003 ihren Mitarbeitern angeboten, das Arbeitsverhältnis – soweit nicht ohnehin geschehen – auf der Grundlage der Regelungen der Arbeitsvertragsrichtlinien des D. Werkes fortzuführen. Die überwiegende Zahl der Beschäftigten war hiermit einverstanden, andere Arbeitnehmer – unter anderem auch die Klägerin – stimmten dem nicht zu.
Mit Schreiben vom 9. Dezember 2003 (Bl. 51 d.A.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie zum 1. Januar 2004 die Arbeitszeit auf der Grundlage dieser Regelungen reduziere und ihre Vergütung entsprechend absenke. Für die Klägerin ergab sich hieraus eine Arbeitszeit von 67,5 % der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit, also 25,99 Stunden pro Woche. Für die ersten drei Monate des Jahres 2004 ergab sich im Verhältnis zur bisherigen Vergütung ein Differenzbetrag von 690,04 EUR brutto.
Mit der vorliegenden, bei Gericht am 15. April 2004 eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen diese Absenkung und begehrt die Zahlung der Vergütungsdifferenzen mit der Begründung, der Anwendungstarifvertrag des Landes Berlin könne im Bezugspunkt ihres Arbeitsverhältnisses nicht zur Anwendung kommen, da sich ihre Arbeitszeit nach dem Arbeitsvertrag und gegebenenfalls nach den AVR richte.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie für die Monate Januar bis März 2004 ein restliches Entgelt in Höhe von 690,04 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 23. April 2004 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat dazu die Auffassung vertreten, Arbeitszeit und Vergütung stünden in einem untrennbaren Zusammenhang, der BAT finde in Bezug auf Vergütung und Eingruppierung und Arbeitszeit, und zwar in der für Berlin maßgeblichen Fassung, Anwendung.
Von einer näheren Darstellung des Parteivorbringens erster Instanz wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung abgesehen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 6. August 2004 dem klägerischen Begehren entsprochen und die Beklagte zur entsprechenden Zahlung verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagten sei es aufgrund der einzelvertraglich getroffenen Arbeitsvertragsabrede rechtlich verwehrt, einseitig die zwischen den Parteien vereinbarte Arbeitszeit und die damit verbundene Arbeitsvergütung zu reduzieren. Die regelmäßige wöchentlich...