Entscheidungsstichwort (Thema)

Personenbedingte Kündigung. Ordentliche Kündigung wegen mangelnder persönlicher Eignung. Keine Verwirkung des Kündigungsrechts

 

Leitsatz (amtlich)

Die Nichtbeantwortung der Fragen nach einer Tätigkeit für das frühere MfS und der Abgabe einer Verpflichtungserklärung für dieses Ministerium steht der Falschbeantwortung (wahrheitswidrigen Verneinung) dieser Fragen gleich. Sie kann bei einem Hochschuldozenten ein personenbedingte Grund zur Kündigung wegen fehlender persönlicher Eignung sein.

 

Normenkette

KSchG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 22.09.1994; Aktenzeichen 90 Ca 12357/94)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 10.10.1996; Aktenzeichen 2 AZR 552/95)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird des am 22, September 1994 verkündete Urteil des Arbeitsgerichte Berlin – 90 Ca 12357/94 – geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der am 20. November 1951 geborene Kläger war seit dem 1. August 1975 bei der Beklagten beschäftigt. Mit Wirkung vom 1. Februar 1988 wurde er zum Hochschuldozenten berufen.

Am 18. April 1991 unterschrieb der Kläger einen Personalfragebogen, in dem er zu den Fragen unter Nr. 1 bis Nr. 17 die erforderlichen Angaben machte, in dem er aber die Fragen unter Nr. 18, Nr. 19 und Nr. 20 nicht beantwortete. Unter Nr. 19 sollte bei den Fragen, ob er für das frühere Ministerium für Staatssicherheit tätig gewesen sei, ob er finanzielle Zuwendungen von dort erhalten habe und ob er eine Verpflichtungserklärung zur Zusammenarbeit unterschrieben habe, ein Ja oder ein Nein angekreuzt werde. Der Kläger machte dazu keine Angaben. Er unterschrieb die in dem Personalfragebogen außerdem enthaltene Erklärung, er versichere nach bestem Wissen und Gewissen, vorstehende Angaben vollständig und wahrheitsgemäß gemacht zu haben, und ihm sei bekannt, daß falsche Angaben die Entlassung nach sich ziehen könnten.

Mitte September 1992 erhielt die Beklagte einen Einzelbericht des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik vom 9. September 1992, aus dem sich ergab, daß der Kläger im September 1991 vom MfS und IMK (Ineffizieller Mitarbeiter für Sicherung der Konspiration) erfaßt worden war, daß der Kläger sich in einer von ihm am 8. September 1981 geschriebenen und unterschriebenen Erklärung zur Zusammenarbeit mit dem MfS bereit erklärt und sich für diese Zusammenarbeit den Decknamen Albert gegeben hatte, daß er am 22. September 1981 unter diesem Decknamen einen Bericht geschrieben hatte, daß der Führungsoffizier am 30. September 1982, 14. Oktober 1982 und 5. November 1982 je einen Treffbericht erstellt hatte und daß die Zusammenarbeit anschließend eingestellt worden war.

Auf den Bericht des Bundesbeauftragten hin wurde der Ehrenausschuß der Beklagten mit der Anhörung des Klägers und der Erstellung eines Votums über die Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses beauftragt. Der Ehrenausschuß hörte den Kläger Mitte November 1992 an und stellte sein Votum zurück, um beim Bundesbeauftragten durch eine erweiterte Recherche Unklarheiten des Einzelberichtes vom 9. September 1982 auszuräumen. Unter dem 5. Oktober 1993 teilte der Bundesbeauftragte mit, daß die erweiterte Recherche nicht zu weiteren Ergebnissen oder Erkenntnissen geführt habe.

Die Personalkommission der Beklagten stellte in ihrer 55. Sitzung am 16. September 1993 fest, daß sie als Kündigungsberechtigtes Gremium erst jetzt von dem Verschweigen der Zusammenarbeit des Klägers mit dem früheren MfS im Persoanlfragebogen erfahren habe, und beschloß einstimmig, das Beschäftigungsverhältnis des Klägers zur Beklagten wegen mangelnder persönlicher Eignung und Verschweigens der Zusammenarbeit zu kündigen und die Präsidentin mit der Durchführung dieses Beschlusses zu beauftragen.

Nachdem die Beklagte noch im September 1993 des personalvertretungsrechtliche Beteiligungsverfahren eingeleitet und der Personalrat am 28. Oktober 1993 Einwände gegen die beabsichtigte Kündigung erhoben hatte, kam es nicht zum Ausspruch einer Kündigung – nach der Behauptung der Beklagten deswegen nicht, weil die Struktur- und Berufungskommission im Herbst 1993 die Übernahme des Klägers auf eine Dauerstelle empfohlen und weil es bis Mitte Februar 1994 Überlegungen und Verhandlungen über den Abschluß eines Aufhebungsvertrages und die befristete Weiterbeschäftigung des Klägers außerhalb der Humbold-Universität gegeben hatte.

Mit Schreiben vom 8. März 1994 bat der Leiter der Personalabteilung der Beklagten den Personalrat „im Rahmen der Mitwirkung um Zustimmung” zur Kündigung des Klägers. Der Personalrat nahm zu dem Antrag der Beklagten keine Stellung.

Mit Schreiben vom 28. März 1994, des ausweislich eines Bestätigungsvermerks von Bediensteten der Beklagten am 30. März 1994 in den Briefkasten des Klägers eingeworfen wurde, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum ...

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