Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgabenpflicht. Sozialkassenverfahren
Leitsatz (amtlich)
Lohnsteuerpflichtige Anteile einer Sozialplanabfindung sind kein „Bruttolohn” i.S.v. § 74 Abs. 2 VTV in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung und daher nicht sozialkassenbeitragspflichtig.
Normenkette
§ 74 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe i.d. bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung (VTV)
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Teilurteil vom 08.02.2002; Aktenzeichen 15 Ca 64842/01) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. Februar 2002 – 15 Ca 64842/01 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes ist der Kläger die Einzugsstelle für die von den baugewerblichen Arbeitgebern zu leistenden tariflichen Sozialkassenbeiträge. Mit seiner Klage beansprucht der Kläger von der Beklagten für die Monate Januar 1997, Februar 1998 sowie April und Mai 1998 die Nachzahlung von Sozialkassenbeiträgen in Höhe von rechnerisch unstreitigen 12.787,64 Euro. Dem liegt zugrunde, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten in den bezeichneten Monaten aufgrund eines Sozialplanes an Arbeitnehmer bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis für den Verlust des Arbeitsplatzes Abfindungen zahlte, die – über die Freigrenzen hinaus – steuerpflichtig waren. Dabei streiten die Parteien ausschließlich um die Frage, ob die an die Arbeitnehmer gezahlten Abfindungen vom tarifvertraglich geregelten Bruttolohnbegriff erfasst werden. Maßgebend hierfür ist die Regelung in § 74 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 12. November 1986 in der zuletzt am 10. Dezember 1997 geänderten Fassung. § 74 VTV lautet – soweit hier von Interesse:
(1)
Der Arbeitgeber hat zur Aufbringung der Mittel für die tarifvertraglich festgelegten Leistungen an Urlaub, Lohnausgleich, die Erstattung der Kosten der Berufsausbildung sowie in Berlin-West für Zusatzversorgung einen Sozialkassenbeitrag in Berlin-West von 22,60 v.H. bzw. in Berlin-Ost von 20,95 v.H. der Summe der Bruttolöhne aller in diesem Tarifvertrag gemäß § 1 Abs. 3 erfassten Arbeitnehmer des Betriebes (Bruttolohnsumme) an die ZVK-Bau als Einzugsstelle abzuführen.
(2)
Bruttolohn ist
a) der für die Berechnung der Lohnsteuer zugrunde zu legende und in die Lohnsteuerkarte oder die Lohnsteuerbescheinigung einzutragende Bruttoarbeitslohn einschließlich der Sachbezüge, die nicht pauschal nach § 40 EStG versteuert werden,
b) …
zum Bruttolohn gehören nicht die Urlaubsabgeltungen gemäß § 3 Nr. 7.1 a, c und d des Ergänzungstarifvertrages Berlin zum Bundes-Rahmentarifvertrag für das Baugewerbe.
Mit Wirkung vom 1. Januar 1999 haben die Tarifvertragsparteien die Regelung in § 74 Abs. 2 VTV wie folgt geändert:
„Zum Bruttolohn gehören nicht das tarifliche 13. Monatseinkommen oder betriebliche Zahlungen mit gleichem Charakter (z.B. Weihnachtsgeld, Jahressonderzahlung), Urlaubsabgeltungen gemäß § 8 Nr. 6 BRTV und Abfindungen im Sinne von § 3 Nr. 9 EStG.”
Im Vorfeld der für die Zeit ab 1. Januar 1999 geänderten Fassung von § 74 Abs. 2 VTV teilte der Bundesvorstand der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt dem Kläger mit Schreiben vom 11. September 1998 mit:
„Abfindungen als Bruttolohn im Sinne des VTV und BRTV
Sehr geehrte Herren,
die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes haben sich im Rahmen ihrer Gespräche über die Umsetzung der Mainzer Erklärung auch mit der Frage befaßt, ob Abfindungen, die die steuerrechtlichen Freigrenzen gem. § 3 Nr. 9 EStG überschreiten, Bruttolohn im Sinne der §§ 24 Abs. 2, 48 Abs. 2, 61 Abs. 2 VTV. 8 Nr. 4.2 BRTV darstellen. Dazu dürfen wir Ihnen auch im Namen des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie und des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes folgendes mitteilen:
Zu der vorgenannten Frage konnte eine Einigung dahingehend erzielt werden, daß einkommensteuerpflichtige Abfindungen im Sinne von § 3 Nr. 9 EStG. die für Lohnabrechnungszeiträume bis zum 31.12.1998 abgerechnet worden sind bzw. noch abgerechnet werden, als Bruttolohn im Sinne der vorgenannten Bestimmungen behandelt werden. Abfindungen, die in Lohnabrechnungszeiträume nach diesem Zeitpunkt fallen, stellen keinen Bruttolohn im Sinne dieser Vorschriften dar. Letzteres wird in den genannten Tarifvorschriften durch die nächsten Änderungstarifverträge klargestellt werden. Soweit die ZVK-Bau in der Vergangenheit aufgrund ihrer Rechtsauffassung Sozialkassenbeiträge, die auf lohnsteuerpflichtige Abfindungsanteile gezahlt worden sind, an Betriebe zurückgezahlt hat, halten wir es für angebracht, diese Beträge nicht zurückzufordern, jedoch gleichwohl darauf beruhende Entschädigungsansprüche der Arbeitnehmer zu befriedigen.
Lediglich zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, daß nur solche Zahlungen unter die obigen Regelungen fallen, die wegen einer vom Arbeitgeber veranlaßten oder gerichtlich au...