Entscheidungsstichwort (Thema)
Öffentlicher Dienst und übertarifliche Arbeitsbedingungen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Arbeitsvertragsparteien können auch im Bereich des öffentlichen Dienstes für ein Arbeitsverhältnis, in welchem an sich ein ungünstigerer Tarifvertrag anwendbar wäre, die Geltung eines günstigeren Tarifvertrags vereinbaren und damit dem Arbeitnehmer eine übertarifliche Rechtsposition einräumen.
2. Eine solche Vereinbarung liegt jedenfalls dann vor, wenn der günstigere Tarifvertrag im Arbeitsvertrag eindeutig und ausdrücklich benannt wird, die Stelle unter Bezugnahme auf diesen Tarifvertrag ausgeschrieben wurde und der Arbeitnehmer sich darauf beworben hatte, bei Abschluß des Arbeitsvertrages die Umstände bekannt waren, aus denen sich an sich die Anwendbarkeit des ungünstigeren Tarifvertrages ergab und keine Anhaltspunkte für eine irrtümliche Falschbezeichnung vorliegen.
Normenkette
BGB § 611; BAT; BAT-O
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 29.09.1998; Aktenzeichen 95 Ca 42331/97) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 29. September 1998 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin – 95 Ca 42331/97 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob auf ihr Arbeitsverhältnis über den 31.07.1997 hinaus der BAT und die diesen ergänzenden und ändernden Tarifverträge in der jeweiligen Fassung zur Anwendung kommen.
Bei der Beklagten waren im Jahre 1995 Stellen als Betriebshofleiter/innen, bewertet nach Vergütungsgruppe II a/I b BAT/BAT-O und als Fachgebietsleiter/innen, bewertet nach Vergütungsgruppe IV a/III BAT ausgeschrieben (Ausschreibungstexte Bl. 84 bzw. 58 d. A.). Nachdem der Kläger, der bereits von 1970 – 1992 bei der Beklagten gearbeitet hatte, sich zunächst erfolglos auf die Stelle des Betriebshofleiters beworben hatte, informierte ihn der zwischenzeitlich als Betriebshofleiter auf dem Betriebshof A 3 in Berlin-M. tätige Herr M. darüber, daß dort die Stelle des Fachgebietsleiters Personal noch unbesetzt sei. Daraufhin bewarb sich der Kläger mit Schreiben vom 23.11.1995 (Bl. 167 d. A.) „für die Stelle als Fachgebietsleiter”. Mit Schreiben vom 30.11.1995 (Bl. 144 d. A.) wies die Geschäftseinheit Sammeln/Transportieren der Beklagten die Geschäftseinheit Personal darauf hin, daß der Fachbereich Personal des Betriebshofes A 3 noch vakant sei, man halte es für angezeigt, die Bewerbung des Klägers zu berücksichtigen. Nachdem der Personalrat aufgrund Anhörung vom 19.12.1995 (Bl. 95 d. A.) am 20.12.1995 seine Zustimmung erteilt hatte, unterschrieb der Kläger am 27.12.1995 einen Arbeitsvertrag (Bl. 4/5 d. A.) für eine Tätigkeit als Angestellter bei der Beklagten ab 01.01.1996, der in § 3 die Bestimmung enthält:
„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung.
…”
Bei Unterzeichnung des Vertrages wurde über die Anwendung des BAT bzw. BAT-O nicht gesprochen.
Der Kläger war seit Beginn des Arbeitsverhältnisses ununterbrochen im Ostteil der Stadt B. auf dem Betriebshof A 3 in M. bei Herrn M. als Fachgebietsleiter Personal eingesetzt. Auf sein Arbeitsverhältnis wurde ebenso der BAT angewandt wie auf die Arbeitsverhältnisse der beiden weiteren dort tätigen Fachgebietsleiter Service und Technik.
Mit Schreiben vom 30.07.1997 (Bl. 6 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie habe aufgrund einer Überprüfung festgestellt, daß sich seine Arbeitsbedingungen zur Zeit nach dem BAT richteten, obwohl er im Beitrittsgebiet eingesetzt werde und sein Arbeitsverhältnis dort begründet sei. Nachdem das BAG mit mehreren Urteilen entschieden habe, daß sich der anzuwendende Tarifvertrag nach dem Einsatzort des Arbeitnehmers bei Begründung des Arbeitsverhältnisses richte, müsse ab 01.08.1997 das Tarifrecht BAT-O angewendet werden.
Die Beklagte wandte auf im Beitrittsgebiet begründete Arbeitsverhältnisse grundsätzlich nur dann die Regelungen des BAT bzw. BMT-G II an, wenn die Mitarbeiter dauerhaft bzw. auf nicht absehbare Zeit auf einem Arbeitsplatz im Tarifgebiet West tätig wurden, wobei sie diese Leistungen – jedenfalls teilweise – irrtümlich diesen Mitarbeitern weiter gewährte, wenn sie danach auf einen Arbeitsplatz im Beitrittsgebiet zurückkehrten. Die Betriebshofleiter behandelte die Beklagte unabhängig vom Ort der Begründung des Arbeitsverhältnisses und dem Einsatzort nach BAT. Die Beklagte wandte seit Juli 1996 auf die irrtümlich nach Westtarif behandelten Arbeitnehmer wieder die Regelungen des Tarifkreises Ost an. Den Betriebshofleitern, deren Arbeitsverhältnisse im Beitrittsgebiet begründet wurden und auch heute noch einen Bezug zum Beitrittsgebiet aufweisen, werden seit Oktober 1998 nur noch Leistungen nach BAT-O gewährt.
Nachdem ein Widerspruch des Klägers vom 12.08.1997 (Bl. 7 d. A.) erfo...