Entscheidungsstichwort (Thema)
„Gefahrenzulage” (§ 33 Abs. 1 c BAT)
Leitsatz (amtlich)
Das Merkmal der „ständigen Zusammenarbeit mit geisteskranken Patienten zu arbeitstherapeutischen Zwecken oder deren entsprechende Beaufsichtigung” kann auch dann erfüllt sein, wenn der Angestellte ganzzeitig mit einer Gruppe arbeitet oder diese beaufsichtigt, in der neben geisteskranken Patienten sich auch solche befinden, die nicht „geisteskrank” im Sinne der Vorschriften sind.
Normenkette
TV Gewährung von Zulagen § 1 Abs. 1 Nr. 5; BAT § 33 Abs. 1 Buchst. c
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 31.08.1994; Aktenzeichen 94 Ca 10266/94) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 31. August 1994 – 94 Ca 10266/94 – geändert:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 1.380,– (eintausenddreihundertachtzig) brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich aus einem Bruttobetrag von 810,– DM ergebenden Nettobetrag seit dem 18. April 1994 sowie auf den sich aus einem Bruttobetrag von 570,– DM ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Dezember 1994 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger über den 31. Oktober 1994 hinaus eine Zulage gemäß § 33 Abs. 1 c BAT in Höhe von 30,-- DM (dreißig) brutto monatlich zu zahlen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
II.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Gewährung einer Zulage auf der Grundlage von § 33 Abs. 1 c BAT („Gefahrenzulage”).
Der Kläger ist gelernter Buchdruckergeselle und seit März 1983 bei der Beklagten als Arbeitstherapeut angestellt; er wird nach der Vergütungsgruppe V c der Anlage 1 a zum auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren BAT vergütet.
Zusammen mit einem anderen Mitarbeiter betreut er in der Nervenklinik … des beklagten Landes in der dortigen Werkstatt Buchbinderei/Druckerei eine Gruppe von ca. 15 Patienten, die aus verschiedenen Krankenhausstationen und einen dem Krankenhaus angegliederten Patientenübergangswohnheim stammen. Es handelt sich dabei um „geisteskranke” Patienten, jedoch zu einem Prozentsatz von ca. 20–23 % auch um Patienten, die nicht als „geisteskrank” gelten. Die Patienten führen in der Zeit von 8.00 Uhr bis 11.00 Uhr sowie von 12.30 Uhr bis 15.30 Uhr in der Werkstatt buchdruckerische und buchbinderische Tätigkeiten unter Anleitung und Beaufsichtigung durch den Kläger und seinen Kollegen aus. Dabei arbeiten sie zum Teil sitzend, zum Teil stehend an den eingerichteten Arbeitsplätzen in der Werkstatt.
In der ca. 90minütigen Mittagspause nehmen sie auf den jeweiligen Stationen ihr Mittagessen ein und halten sich den Rest der Zeit in der Kantine, in den Gängen oder in der Raucherecke auf. Während der Pause befinden sich der Kläger und sein Kollege in einem angrenzenden Büroraum; gelegentlich – je nach Bedarf – auch teilweise in der Werkstatt.
Die Arbeitszeit des Klägers beginnt um 7,30 Uhr mit Vorbereitungsarbeiten und endet um 16.00 Uhr, wobei der Kläger im Anschluß an die Arbeit mit den Patienten noch Nachbereitungsarbeiten durchführt. Diese Zeiteinteilung für den Kläger entspricht den Haßgaben der Psychiatrie-Personalbemessungsverordnung, nach der 74 % der Arbeitszeit direkt mit Patienten verbracht werden müssen und 26 % für Vor- und Nachbereitung anzusetzen sind.
Der Kläger erhielt für seine Tätigkeit zunächst eine Gefahrenzulage gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 des Tarifvertrages über die Gewährung von Zulagen gemäß § 33 Abs. 1 c BAT von 11. Januar 1962. Das beklagte Land stellte die Zahlung im Februar 1992 ein, um eine endgültige Entscheidung der Senatsverwaltung für Inneres über die Gewährung der Zulage abzuwarten. Nachdem es mit Schreiben vom 15. Juli 1992 dem Kläger mitgeteilt hatte, daß sich eine abschließende Stellungnahme der Senatsverwaltung für Inneres noch verzögern werde, forderte es in Januar 1993 den Kläger zur Rückzahlung der für den Zeitraum Januar 1991 bis Februar 1992 gewährten Zulage auf und brachte vom Gehalt des Klägers für Januar 1993 gleichzeitig 420,– DM brutto in Abzug. Der Kläger seinerseits, der seine Januarabrechnung am 15. Januar 1993 erhalten hatte, machte mit Schreiben vom 22. Januar 1993 gegenüber der Beklagten rückwirkend die Weiterzahlung der Zulage von Februar 1992 an geltend.
Mit der vorliegenden, bei Gericht am 30. März 1994 eingegangenen Klage verfolgt der Kläger seinen Anspruch auf Zahlung der Zulage gerichtlich weiter.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß er ungeachtet des Umstandes, daß einige der Patienten nicht als „geisteskrank” anzusehen seien, anspruchsberechtigt im Hinblick auf die Zulage sei, da die „Gefährdungssituation” und damit die Voraussetzung für die Zulagengewährung gegeben sei.
Der Kläger hat beantragt
- den Beklagten zu verurteilen, an ihn 810,– DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit Klageerhebung zu zahlen;
- festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, ihm die Zulage gemäß § 33 Abs. 1 c BAT vom 11. Januar 1962 in der jeweils geltenden Fassung,...