Entscheidungsstichwort (Thema)

Verhandeln ohne Antragstellung. Erschütterung des Beweiswertes einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Behauptungen ohne Tatsachenhintergrund

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach § 333 ZPO gilt eine Partei als nicht erschienen, wenn sie zu dem anberaumten Verhandlungstermin zwar erscheint, jedoch nicht verhandelt. Die mündliche Verhandlung wird nach § 137 Abs. 1 ZPO grundsätzlich dadurch eingeleitet, dass die Parteien ihre Anträge stellen. Trotz der Erklärung einer Partei, keinen Antrag stellen zu wollen, kann eine streitige Entscheidung gleichwohl ergehen, wenn die Voraussetzungen des Verhandelns i.S.v. § 333 ZPO vorliegen, was etwa in einer ausführlichen Erörterung der Sach- und Rechtslage mit Rede und Gegenrede des Gerichts und der betreffenden Partei gesehen werden kann.

 

Normenkette

EntgFZG § 3; ZPO § 333

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 24.10.2002; Aktenzeichen 1 Ca 18214/02)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 01.12.2004; Aktenzeichen 5 AZR 121/04)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 24. Oktober 2002 – 1 Ca 18214/02 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streite darüber, ob die Klägerin, die nach Abschluss ihrer Ausbildung in der Zeit vom 21. Januar bis 15. März 2002 bei den Beklagten als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte mit einer monatlichen Bruttovergütung von 1.431,62 EUR beschäftigt war, für die Zeit vom 1. bis zum 15. März 2003 arbeitsunfähig krank war und Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat.

Wegen des diesem Streit zugrunde liegenden unstreitigen Sachverhalts und des streitigen Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Bl. 29 und 30 d.A.) Bezug genommen.

Durch Urteil vom 24. Oktober 2002 hat das Arbeitsgericht Berlin der auf Entgeltfortzahlung gerichteten Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, den Beklagten sei es nicht gelungen, den Beweiswert der von der Klägerin eingereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern. Wegen der Einzelheiten der Begründung der Entscheidung wird auf die dortigen Gründe (Bl. 30-33 d.A.) verwiesen.

Gegen dieses ihnen am 12. Dezember 2002 zugestellte Urteil haben die Beklagten mit am Montag, dem 13. Januar 2003 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 12. März 2003 mit am 12. März 2003 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Sie sind weiter der Auffassung, ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bestehe nicht, da die von der Klägerin behauptete Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht gewesen sei. Der von der Klägerin eingereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung käme kein Beweiswert zu, da es sich um eine reine Gefälligkeitsbescheinigung handele. Zur Begründung insoweit führen die Beklagten an,

  • dass die Bescheinigung genau den Zeitraum abdecke, den die Klägerin benötigt habe, um ein Pendeln nach Berlin zu vermeiden und ein Einrichten in Frankfurt zu ermöglichen, wo sie schon in der ersten Märzwoche 2002 eingezogen sei;
  • dass der Arbeitsplatz der Klägerin bereits am 27. Februar unüblich und einem endgültigen Ausbleiben entsprechend aufgeräumtgewesen sei;
  • dass ihr Mietvertrag in Berlin bereits am 28. Februar beendet worden sei;
  • dass sie sich in Berlin erst am 1. Juli 2002 nach Bad V. abgemeldet habe;
  • dass sie bei einem Anruf am 28. Februar gegenüber der Auszubildenden Frau L. mitgeteilt habe, sie habe eine schlimme Verletzung, müsse vielleicht operiert werden und sei jedenfalls bis 15. März krank;
  • dass die zeitlichen Abläufe in der Schilderung der Klägerin nicht stimmen können und sie tatsächlich nicht beim Arzt gewesen sein könne;
  • dass die von der Klägerin mitgeteilte Diagnose nicht stimmen könne, dass sie keine Vorschädigung besitze und kerngesund sei;
  • dass die Klägerin ihren Vortrag stets auf Einwände hin angepasst habe.

Die Beklagten und Berufungskläger haben angekündigt zu beantragen,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Im Termin am 15. Juli 2003 hat der Beklagte zu 1) und Vertreter der Beklagten zu 2) erklärt, keinen Antrag stellen zu wollen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie behauptet, vom 28. Februar bis 15. März 2002 arbeitsunfähig erkrankt gewesen zu sein und nimmt insoweit Bezug auf die eingereichte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 28. Februar 2003.

Sie behauptet, wegen der Eigenkündigung zum 15. März 2002 ihre möblierte Wohnung in Berlin bereits zum 28. Februar gekündigt zu haben, da nächster Kündigungstermin erst der 31. März 2002 gewesen wäre. Sie habe die Absicht gehabt, vom 1. März bis 15. März bei ihrer Mutter in Cottbus zu wohnen und zu pendeln. Am 27. Februar 2002 abends habe sie bereits alle persönlichen Sachen aus der Wohnung gepackt und in ihr Auto geladen gehabt, bis auf die elektronischen Geräte wie Fernseher und Stereoanlage. Diese habe sie am Morgen des 28. Februar 2002 ...

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