Entscheidungsstichwort (Thema)
Heimzulage
Leitsatz (amtlich)
Ein Anspruch auf Heimzulage ist vom Vorliegen einer typischerweise durch die Heimleitung fremdbestimmten Ordnung n i c h t abhängig. Es genügt die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung der behinderten Bewohner einer 4-Personen-Wohngemeinschaft.
Normenkette
Protokollnotiz Nr. 1 zum Abschn. G des Teils II der Anlage 1 a zum BAT
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 20.01.2006; Aktenzeichen 54 Ca 18296/05) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 20. Januar 2006 – 54 Ca 18296/05 – aufgehoben:
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger
1.963,24 EUR brutto (eintausendneunhundertdreiundsechzig 24/100)
nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz auf einen Betrag von 1.771,49 EUR seit dem 6. November 2005 und auf einen Betrag von 191,75 EUR seit dem 6. April 2006 zu zahlen.
III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger seit dem 1. Februar 2006 die Zulage nach dem ersten Halbsatz der Protokollnotiz Nr.1 zum Abschnitt G des Teils II der Anlage 1a zum BAT zu zahlen.
IV. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtstreits bei einem Streitwert von 1.932,84 EUR.
V. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
In der Berufungsinstanz streiten die Parteien nach wie vor über die Heimzulage nach der Protokollnotiz Nr.1 zum Abschnitt G des Teils II der Anlage 1a zum BAT.
Der Kläger ist 45 Jahre alt (… 1960) und seit dem 1. April 1986 bei der Beklagten als Angestellter in der Tätigkeit eines Erziehers beschäftigt. Er bezieht derzeit Vergütung nach Vergütungsgruppe Vb BAT entsprechend ca. 1.800,00 EUR brutto/monatlich, da er die Voraussetzungen nach der Fallgruppe 5 dieser Vergütungsgruppe im Abschnitt G des Teils II der Anlage 1a zum BAT erfüllt. Über die Einzelheiten seiner Tätigkeit gibt es eine Stellenbeschreibung (Bl. 167-171 d.A.).
Abgesehen von der Zeit vom 1. Februar 2005 bis zum 31. Januar 2006, in der die Parteien eine Wochenarbeitszeit von 24,06 Stunden vereinbart hatten, war der Kläger ansonsten entsprechend der vertraglichen Vereinbarung der Parteien jeweils mit 33,68 Stunden wöchentlich beschäftigt. Mit einigen für den Rechtsstreit nicht erheblichen Modifikationen haben die Parteien im Arbeitsvertrag vom 2. April 1986 (Bl. 8-12 d.A.) die Anwendung des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) in der für den Bereich des Bundes und der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) geltenden Fassung vereinbart.
Der Kläger hat bis September 2002 die Zulage nach Protokollnotiz Nr.1 zum Abschnitt G des Teils II der Anlage 1a zum BAT (so genannte Heimzulage) erhalten. Mit Wirkung ab Oktober 2002 stellte die Beklagte die Zahlung dieser Zulage ein, da sie meinte, dass der Kläger aus rechtlichen Gründen die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfülle. Der Kläger wurde mit Schreiben vom 18. März 2002 (Bl. 14-15 d.A.) darüber informiert. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2002 (Bl. 18 d.A.), 15. November 2004 (Bl. 19 d.A.) sowie Anwaltsschreiben vom 22. Juni 2005 (Bl. 23-25 d.A.) machte der Kläger die Weiterzahlung der Zulage ab 1. Oktober 2002 geltend. Eine tatsächliche Veränderung in der Betreuung und im Umgang mit den Bewohnern vor und nach September 2002 gab es nicht.
Die Beklagte betreibt und betreut seit ca. 20 Jahren Wohngemeinschaften in Berlin. Derzeit sind es 42 Wohngemeinschaften mit insgesamt 207 Wohnplätzen. Der Kläger ist in der Wohngemeinschaft 15 (WG 15) gemeinsam mit einer weiteren Mitarbeiterin beschäftigt. In dieser WG 15 leben vier behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung zwischen 70 und 100, welche alle aufgrund einer Einschränkung ihres Gehvermögens im Sinne des § 146 Abs.1 SGB IX infolge von Störungen der Orientierungsfähigkeit das Merkzeichen G (entsprechend § 3 der Schwerbehindertenausweisverordnung) in ihrem Schwerbehindertenausweis haben. Drei Bewohner bedürfen ständiger Begleitung nach § 146 Abs.2 SGB IX, was durch das Merkzeichen B im Schwerbehindertenausweis (entsprechend § 3 der Schwerbehindertenausweisverordnung) nachgewiesen ist. Eine Bewohnerin ist hilflos im Sinne des § 33b EStG, was durch das Merkzeichen h im Schwerbehindertenausweis (entsprechend § 3 der Schwerbehindertenausweisverordnung) nachgewiesen ist. Einem Bewohner der WG 15 ist der Wert von Geld gänzlich unklar. Andere Bewohner der WG 15 unterliegen einem Kaufzwang.
Die Bewohner der WG 15 arbeiten tagsüber in behindertengerechten Werkstätten in einem so genannten geschützten Bereich der Berliner Werkstätten für Behinderte und der Vereinigung für Jugendliche. In beiden Einrichtungen besteht ein begleitender sozialer Dienst.
Der Kläger ist grundsätzlich von 13 Uhr bis 19 Uhr bzw. an Wochentagen von 14 Uhr bis 21 Uhr in der WG 15 anwesend.
Mit der zuständigen Senatsverwaltung für S. vereinbarte die Beklagte unter dem 21. Juli 2003 eine Leistungsbeschreibung für Wohngemeinschaften für Menschen mit geistiger, körperlicher und/oder mehrfacher Behinderung – Leistungstyp II (Bl. 257 bis 264 d.A.) gemäß § 93 BSHG (sei...