Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung
Leitsatz (amtlich)
Die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit einem wissenschaftlichen Assistenten an einer wissenschaftlichen Hochschule im Beitrittsgebiet kann sozial gerechtfertigt sein, wenn die Stelle im Haushaltsplan nicht mehr unbefristet zur Verfügung steht.
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 12.10.1994; Aktenzeichen 96 Ca 11700/94) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12. Oktober 1994 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin – 96 Ca 11700/94 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
II Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der am 23. Mai 1936 geborene Kläger wurde von der … Universität zu Berlin ab 1. Mai 1960 als wissenschaftlicher Assistent am II. Mathematischen Institut eingestellt. Aufgrund von Änderungsverträgen war er vom 1. Mai 1967 an als wissenschaftlicher Oberassistent und vom 1. Mai 1974 an als Lektor tätig. Nach der Errichtung des Fachbereichs Mathematik der Beklagten nach 1990 wurde der Kläger dort im Bereich Angewandte Analysis beschäftigt.
Mit Schreiben vom 30. März 1994 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß sie das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 30. September 1994 aus dringenden betrieblichen Gründen kundige, weil eine unbefristete Dauerstelle des wissenschaftlichen Mittelbaus für ihn nicht zur Verfügung stehe, und daß sie ihm gleichzeitig einen Arbeitsvertrag anbiete, der bis zum 31. Dezember 1996 befristet sei und aufgrund dessen er als Lektor im Umfang von 80 % der üblichen Arbeitszeit am Fachbereich Mathematik weiterbeschäftigt werden könne. Der Kläger hat den befristeten Arbeitsvertrag am 7. April 1994 unter dem Vorbehalt nach § 2 KSchG angenommen und im übrigen die Kündigungsschutzklage im vorliegenden Rechtsstreit erhoben.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 30. März 1994 zum 30. September 1994 nicht aufgelöst worden sei, sondern ungekündigt und unbefristet fortbestehe;
- Die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zur Rechtskraft der Entscheidung zu den bisherigen Bedingungen als Lektor im Fachbereich Mathematik weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien in der ersten Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat durch das am 12. Oktober 1994 verkündete Urteil nach den Klageanträgen erkannt. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe jenes Urteils verwiesen.
Das Urteil ist der Beklagten am 15. November 1994 zugestellt worden. Die Berufung der Beklagten ist am 15. Dezember 1994, die Berufungsbegründung ist – nach Fristverlängerung bis zum 23. Januar 1995 – am 23. Januar 1995 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.
Zur Begründung ihres Rechtsmittels trägt die Beklagte vor:
Sie, die Beklagte, habe eine Änderungskündigung erklärt, die der Kläger auch mit dem Vorbehalt nach § 2 KSchG angenommen habe. Diese Änderungskündigung sei als solche zulässig und im übrigen aus dringenden betrieblichen Gründen sozial gerechtfertigt. Die Umwandlung eines unbefristeten in eine befristetes Arbeitsverhältnis sei entgegen der vom Bundesarbeitsgericht in dem Urteil vom 17. Mai 1984 vertretenen Ansicht zulässig.
Der Fachbereich Mathematik habe aufgrund der Vorgaben des Einigungsvertrages, des Berliner Hochschulgesetzes – BerlHG –, des Gesetzes zur Ergänzung des Berliner Hochschulgesetzes – ErgBerlHG – vom 18. Juli 1991 und des Beschlusses des Senats von Berlin vom 22. Oktober 1991 – 852/91 – in fachlicher Hinsicht eine Fächer- und Lehrstellenstruktur erfahren, die an den heutigen Erfordernissen der Diplom- und Magisterstudiengänge sowie der Lehramtsstudiengänge ausgerichtet sei. In personeller Hinsicht sei insbesondere für den akademischen Mittelbau sowohl eine Verringerung der verfügbaren Stellen insgesamt als auch eine strukturelle Änderung von früher überwiegend unbefristeten Funktionsstellen zu nunmehr überwiegend befristeten Qualifikationsstellen erfolgt. Diese Strukturänderungen seien ab Februar 1992 konkret umgesetzt worden, wobei sich für den Fachbereich Mathematik durch den Beschluß der Personalkommission vom 16. September 1993 nochmals eine wesentliche Änderung im Bereich des akademischen Mittelbaus ergeben habe.
Zur Zeit der Kündigung seien im Arbeitsbereich des Klägers lediglich noch zwei unbefristete Funktionsstellen vorhanden gewesen. Diese Stellen seien mit den bisherigen Mitarbeitern Dr. … und Dr. … besetzt. Damit seien die Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger ausgeschöpft gewesen. Wenn dem Kläger gleichwohl eine vorübergehende Beschäftigung habe angeboten werden können, so deshalb, weil über den bestehenden Bedarf hinaus Überhangstellen vorhanden gewesen seien. Wenn der Arbeitgeber über die für eine sachgerechte Aufgabenwahrnehmung erfo...