Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialauswahl. Arbeitnehmer mit unterschiedlicher vertraglicher Arbeitszeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Arbeitnehmer mit gleichartiger Tätigkeit, mit denen vertraglich eine unterschiedliche Dauer der Arbeitszeit vereinbart ist (z.B. Vollzeit und Teilzeit) sind für die Sozialauswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung als vergleichbar anzusehen.

2. Ein besonderes Interesse des Arbeitgebers an einer speziell vereinbarten Arbeitszeit kann es rechtfertigen, einen sozial weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmer im Hinblick auf die mit diesem vereinbarte Arbeitszeit gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht in die soziale Auswahl einzubeziehen.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 23.09.1997; Aktenzeichen 80 Ca 16846/97)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 23.09.1997 – 80 Ca 16846/97 – wird zurückgewiesen.

II. Die Widerklage der Beklagten wird abgewiesen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

IV. Die Revision wird für die Beklagte insoweit zugelassen, als ihre Berufung hinsichtlich des Urteilsausspruchs des Arbeitsgerichts unter I. (Kündigungsschutzklage) zurückgewiesen worden ist.

 

Tatbestand

Die Klägerin wehrt sich gegen eine ordentliche Kündigung vom 1. April 1997 und fordert darüber hinaus ein 13. Gehalt für die Jahre 1995 und 1996 in der rechnerisch unstreitigen Höhe von insgesamt 5.860,– brutto.

Die Parteien streiten über die soziale Rechtfertigung der Kündigung und darüber, ob der Klägerin, die sich in den Jahren 1995 und 1996 im Erziehungsurlaub befand, ein Anspruch auf ein 13. Gehalt zusteht. Diesem Streit liegt der folgende Sachverhalt zugrunde:

Die am 21. Mai 1965 geborene und zwei Kindern unterhaltspflichtige Klägerin wurde von der Beklagten mit Wirkung ab 21. März 1988 bei einer Arbeitszeit von seinerzeit 40 Stunden pro Woche als Sekretärin angestellt. Auf den zwischen den Parteien schriftlich abgeschlossenen Arbeitsvertrag (vgl. Bl. 31 f. d.A.) sowie einen ebenfalls schriftlichen „Anhang 1 zum Arbeitsvertrag” (vgl. Bl. 34 d.A.) wird Bezug genommen.

In der Zeit vom 26. November 1990 bis 30. Juni 1991 nahm die Klägerin wegen der Geburt ihres ersten Kindes Mutterschafts- und Erziehungsurlaub.

Ab 1. Juli 1991 wechselte die Klägerin – ohne eine Änderung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrages – vom Sekretariat in die Buchhaltung, wo sie Buchhaltungsarbeiten unter Anleitung durch die leitende Buchhalterin verrichtete. Zu den von der Klägerin in der Buchhaltung ausgeführten Arbeiten wird auf die schriftliche Arbeitsplatzbeschreibung Bezug genommen (vgl. Bl. 16 d.A.).

Während ihrer Tätigkeit in der Buchhaltung war die Klägerin zunächst mit einer Arbeitszeit von 19 Wochenstunden, später von 24 und 30 Wochenstunden sowie zuletzt bis zum 17. Februar 1994 mit 25 Wochenstunden beschäftigt. Ab 18. Februar 1994 befand sich die Klägerin wegen der bevorstehenden Geburt ihres zweiten Kindes im Mutterschutz und im Anschluß daran bis zum 27. März 1997 im Erziehungsurlaub.

Die Beklagte beschäftigte bis zum 31. Dezember 1993 in der Buchhaltung die Buchhalterin F. mit 30 Stunden pro Woche, eine Frau S. mit 38 Stunden pro Woche und die Klägerin. Zum 31. Dezember 1993 schied Frau S. aus und wurde durch eine Frau H. ersetzt, deren wöchentliche Arbeitszeit nur noch 32,5 Stunden pro Woche betrug. Zum 30. September 1995 schied auch Frau H. bei der Beklagten ersatzlos aus. Seitdem verrichtet die Buchhalterin F. allein Buchhaltungsarbeiten bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 36 Stunden. Im. Sekretariat beschäftigt die Beklagte zwei Ende 1994 eingestellte Sekretärinnen mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von jeweils 38 Stunden.

Noch vor Ablauf des von der Klägerin in Anspruch genommenen Erziehungsurlaubs bot die Beklagte der Klägerin unter Hinweis auf das Fehlen von Beschäftigungsmöglichkeiten in der Buchhaltung einen Aufhebungsvertrag an, der von der Klägerin letztlich nicht angenommen wurde.

Mit einem der Klägerin am 1. April 1997 zugegangenen Schreiben vom 27. März 1997 kündigte die Beklagte, bei der am 30. September 1996 regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer mit Ausnahme der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten tätig waren, das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 30. Juni 1997. Mit ihrer am 18. April 1997 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die soziale Rechtfertigung dieser Kündigung bestritten und mit ihrer später erweiterten Klage die Zahlung eines dreizehnten Gehaltes für die Jahre 1995 und 1996 gefordert.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, für sie bestünden in der Buchhaltung noch ausreichende Beschäftigungsmöglichkeiten. Außerdem hat die Klägerin die fehlerhafte Sozialauswahl, im Verhältnis zu der Buchhalterin F. und zu den beiden Sekretärinnen im Sekretariat gerügt. Insoweit hat die Klägerin – erstmals in ihrem Schriftsatz vom 28. Juli 1997 – ihre Bereitschaft erklärt, bei einer Arbeit im Sekretariat die Arbeitszeit – wie schon früher – den Bedürfnissen der Beklagten anzupa...

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