Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderkündigungsschutz für Betriebsratswahlinitiatoren. Ordnungsgemäße Einladungsschreiben
Leitsatz (redaktionell)
Der besondere Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 3a KSchG hat nicht zur Voraussetzung, dass die Einladung zur Wahlversammlung in allen Punkten dem § 28 WahlO entsprechen muss.
Normenkette
KSchG § 15 Abs. 3a; WahlO § 28
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 17.12.2002; Aktenzeichen 54 Ca 17252/02) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. Dezember 2002 – 54 Ca 17252/02 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte den Kläger bis zum 31. Juli 2003 als Redakteur zu beschäftigen hat.
2. Der Kläger hat 28 v.H. und die Beklagte 72 v.H. der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Die Revision der Beklagten wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten vor allem über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses und dabei insbesondere über die Frage, ob dem Kläger der besondere Kündigungsschutz für Initiatoren einer Betriebsratswahl (§ 15 Abs. 3a KSchG) zusteht.
Die Beklagte, ein Unternehmen der Verlagsgruppe H. und zuständig für die Wirtschaftsberichterstattung des Fernsehsenders n., beschäftigte den Kläger seit dem 1. Oktober 2000 als angestellten Redakteur gegen eine monatliche Bruttovergütung von zuletzt durchschnittlich 4.047,73 EUR.
Der Kläger lud gemeinsam mit zwei weiteren Arbeitnehmerinnen der Beklagten mit Schreiben vom 30. Mai 2001 die Arbeitnehmer der Beklagten zu einer Betriebsversammlung am 10. Juni 2002 zum Zwecke der Wahl eines Wahlvorstandes zur Einleitung einer Betriebsratswahl ein. Die Einladung wurde durch Aushang sowie durch an die einzelnen Arbeitnehmer gesendete elektronische Post am 30. Mai 2002 bekannt gegeben. Wegen des Inhaltes des Einladungsschreibens wird auf Bl. 12 f. d.A. verwiesen.
Die Betriebsversammlung vom 10. Juni 2002 wurde auf den 17. Juni 2002 vertagt. In dieser Betriebsversammlung wurde ein Wahlvorstand gewählt, der mit Schreiben vom 17. Juni 2002 (Kopie Bl. 57 d.A.) zur Fortsetzung der Wahlversammlung am 24. Juni 2002 einlud. Bei der Betriebsratswahl vom 8. Juli 2002 wurde der Kläger zum ersten Ersatzmitglied gewählt.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 6. Juni 2002, das der Kläger am gleichen Tag erhielt, zum 31. Dezember 2002 aus betriebsbedingten Gründen. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis vorsorglich mit Schreiben vom 27. Januar 2003 zum 31. Juli 2003.
Mit seiner am 21. Juni 2002 eingereichten und der Beklagten am 28. Juni 2002 zugestellten Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung vom 6. Juni 2002 gewandt. Er hat ferner die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis unaufgelöst fortbesteht und die Verurteilung der Beklagten zur vorläufigen Weiterbeschäftigung begehrt. Der Kläger hat ferner die Kündigung vom 27. Januar 2003 durch gesonderte Klage angegriffen; der Rechtsstreit wird im Hinblick auf das hiesige Klageverfahren derzeit nicht betrieben.
Der Kläger hat die Kündigung vom 6. Juni 2002 für rechtsunwirksam gehalten, da sein Arbeitsverhältnis nach § 15 Abs. 3a KSchG nur aus wichtigem Grund gekündigt werden könne; auch sei die Kündigung sozial ungerechtfertigt. Die Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, der Kläger habe nicht ordnungsgemäß zu einer Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes eingeladen, weshalb der besondere Kündigungsschutz des § 15 Abs. 3a KSchG nicht eingreife. Für eine Beschäftigung des Klägers bestehe aufgrund innerbetrieblicher Restrukturierungsmaßnahmen kein Bedarf mehr; die Sozialauswahl sei unter Berücksichtigung ihrer besonderen betrieblichen Bedürfnisse als Tendenzbetrieb zu Lasten des Klägers ausgefallen.
Das Arbeitsgericht hat durch ein am 17. Dezember 2002 verkündetes Urteil festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 6. Juni 2002 nicht aufgelöst worden ist. Es hat ferner festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis unaufgelöst fortbesteht und die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits als Redakteur zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen. Die Kündigung verstoße gegen § 15 Abs. 3a KSchG und sei aus diesem Grunde rechtsunwirksam. Dem Arbeitnehmer, der zu einer Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes einlade, stehe der besondere Kündigungsschutz des § 15 Abs. 3a KSchG unabhängig davon zu, ob die Einladung formell ordnungsgemäß erfolgt sei. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 4. März 2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 17. März 2003 eingelegte Berufung der Beklagten, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 9. Mai 2003 mit einem an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Die Beklagte ist unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiterhin der Auffassung, dem Kläger stehe der besondere Kündigungsschu...