Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung durch einen Vertreter des Personalabteilungsleiters ohne Vorlage einer Vollmachtsurkunde
Leitsatz (amtlich)
Spricht für eine Behörde ein Referatsleiter einer Abteilung Haushalt und Personal, der als solcher nicht kündigungsberechtigt ist, eine Kündigung deshalb aus, weil der Abteilungsleiter erkrankt und der Referatsleiter für diesen Fall allgemein zum Vertreter bestellt ist, so kann der gekündigte Arbeitnehmer die Kündigung nach § 174 BGB zurückweisen, wenn der Arbeitnehmer den Referatsleiter weder persönlich noch dem Namen nach kennt und wenn weder die Vertretungsregelung noch der Vertretungsfall in der Dienststelle allgemein bekannt sind und sich auch nicht aus einem Geschäftsverteilungsplan, einem Telefonverzeichnis oder sonstigen Umständen erschließen lassen. Das gilt jedenfalls dann, wenn auch das Kündigungsschreiben keinen Hinweis darauf enthält, daß der Referatsleiter zur Zeit die Funktion des Abteilungsleiters wahrnimmt.
Normenkette
BGB § 174 Sätze 1-2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 13.02.1996; Aktenzeichen 90 Ca 32716/95) |
Tenor
I. Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 13. Februar 1996 – 90 Ca 32716/95 – teilweise geändert und zur Klarstellung neu gefaßt:
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die mit Schreiben des beklagten Landes vom 20. Oktober 1995 ausgesprochene Kündigung nicht aufgelöst worden ist.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger 1/4, dem beklagten Land 3/4 auferlegt.
IV. Die Revision wird für das beklagte Land zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung, dabei insbesondere auch um das Zurückweisungsrecht des Klägers nach § 174 BGB; sie streiten ferner über den vorläufigen Beschäftigungsanspruch bis zum Abschluß des Kündigungsrechtsstreits.
Der 1947 geborene, verheiratete Kläger war seit 1. April 1979 als Wachpolizist beim beklagten Land angestellt und erhielt zuletzt eine Monatsvergütung von 4.268,– DM brutto nach den Sätzen der Vergütungsgruppe VIII der Anlage 1 a zum BAT. dessen Geltung vereinbart ist. Er hatte seit längerem ein Bundeswehrgelände im Wechsel von (je 12-stündigen) Tag- und Nachtschichten zu bewachen.
Ab Ende Mai 1994 leistete der Kläger nur noch Nachtschichten und blieb der Arbeit während der für ihn vorgesehenen Tagschichten fern; diese nahm sein Kollege … wahr, der seinerseits die für ihn vorgesehenen Nachtschichten nicht versah. Nach der nicht bestrittenen Behauptung des Klägers geschah dies auf Initiative des zuständigen Dienstplaneinteilers … der so faktisch eine volle Wachpolizistenstelle auf zwei Personen aufteilte. Der Kläger und Herr … erhielten weiterhin eine volle Monatsvergütung einschließlich der (in der Gehaltsabrechnung ausgewiesenen) Wechselschicht- und Zeitzuschläge, wie wenn sie jeweils voll gearbeitet hätten. Möglich wurde dies, weil im Bereich der (für den Kläger zuständigen) Direktion 4 seit Ende 1991 für die Einsatzplanung der Wachpolizisten ein Computerprogramm verwendet wird, das vom Einteiler so manipuliert wurde, daß nicht geleistete Dienste nachträglich als geleistet erfaßt wurden.
Am 5. Oktober 1995 entdeckte ein anderer Bediensteter zufällig die an dem Computerprogramm vorgenommenen Manipulationen im Falle des Klägers und zahlreicher weiterer Wachpolizisten. Am 9. Oktober 1995 wurden der Einteiler … und drei weitere Einteiler vom Dienst suspendiert; gegen sie und gegen zahlreiche Wachpolizisten nahm die Kriminalpolizei strafrechtliche Ermittlungen auf, unter anderem wegen Betruges, die im Falle des Klägers bislang nicht abgeschlossen sind. Diese „WaPo-Affäre” hat in den Berliner Medien große Aufmerksamkeit erfahren.
Am 12. Oktober 1995 wurde der Kläger als Beschuldigter vernommen; auf die vom beklagten Land eingereichte Kopie der Vernehmungsniederschrift wird Bezug genommen (Bl. 96 ff. d.A.). Am 13. Oktober 1995 hörte den Kläger ein Bevollmächtigter seiner Dienststelle an und suspendierte ihn anschließend vom Dienst. Am 19. Oktober 1995 übergab die Dienststelle dem zuständigen Personalrat den Entwurf eines Kündigungsschreibens mit der Bitte um Zustimmung im Wege der Mitbestimmung; nach einer Sondersitzung des Personalrats stimmte dieser mit Schreiben vom 20. Oktober 1995 sowohl der außerordentlichen als auch der ordentlichen Kündigung zu.
Durch Schreiben vom 20. Oktober 1995 (das wörtlich mit dem dem Personalrat übergebenen Entwurf übereinstimmt und auf dessen Wortlaut Bezug genommen wird, Kopie Bl. 8 ff.), zugegangen am 24. Oktober 1995. kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis zum Kläger fristlos, hilfsweise zum 30. Juni 1996. Das Schreiben, welches „im Auftrag …” unterzeichnet ist (und dem keine Vollmacht beigefügt war), ließ der Kläger durch ein am 27. Oktober 1995 zugegangenes Schreiben seines späteren Prozeßbevollmächtigten (Kopie Bl. 11.f.d.A.) nach § ...