Entscheidungsstichwort (Thema)

Tariffähigkeit des Bundesverbandes der Arbeiterwohlfahrt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt e.V. ist eine tariffähige Partei. Die Mächtigkeit ist bei Arbeitgeberverbänden nicht erforderlich, weil bereits der einzelne Arbeitgeber tariffähig ist.

2. Bei einem Arbeitgeberverband kann sich die Tarifzuständigkeit auch aus den Struktur- oder Organisationsregelungen der Satzung ergeben.

3. Einzelverbände können einem Bundesverband auch konkludent die Vollmacht zum Abschluß von Tarifverträgen erteilen.

 

Leitsatz (redaktionell)

Hinweis der Geschäftsstelle

Das Bundesarbeitsgericht bittet, sämtliche Schriftsätze in 7-facher Ausfertigung einzureichen.

 

Normenkette

TVG § 2; BGB § 167

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 24.05.2002; Aktenzeichen 79 Ca 2032/02)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 29.06.2004; Aktenzeichen 1 AZR 143/03)

 

Tenor

I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 24. Mai 2002 – 79 Ca 2032/02 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in dem vorliegenden Verfahren über die Verbindlichkeit von Tarifverträgen, die zwischen der Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V. und der beklagten Gewerkschaft abgeschlossen worden sind. Die Kläger sind sechs Untergliederungen des Bundesverbandes in den neuen Bundesländern.

Bei der Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V. handelt es sich um einen Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege in der Rechtsform eines eingetragenen Vereines. Der Bundesverband wird gemeinsam von Ortsvereinen, Gemeinde- bzw. Stadtverbänden, Kreisverbänden, Bezirksverbänden und Vereinigungen auf Landesebene gebildet. Basis der Ortsvereine ist die persönliche Mitgliedschaft (Verbandsstatut Bl. 284 bis 288 d.A.). Der Bundesverband ist die Zusammenfassung der Landesgliederungen und Bezirksverbände. Die Orts- und Kreisverbände gehören über ihre Mitgliedschaft in den Landes- bzw. Bezirksverbänden mittelbar dem Bundesverband an. Dieser repräsentiert den Gesamtverband, er vertritt die Arbeiterwohlfahrt auf Bundesebene, im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft und international. Auf die Satzung der Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V. wird Bezug genommen (Bl. 278 bis 283 d.A. bzw. Bl. 227 bis 233 d.A.).

Der Zweck des Bundesverbandes ist in § 2 der Satzung geregelt, § 4 legt Einzelheiten der Mitgliedschaft fest. Nach § 6 der Satzung sind Organe des Bundesverbandes, die Bundeskonferenz, der Bundesvorstand und der Bundesausschuss. Die Zuständigkeiten der Bundeskonferenz sind in § 7, die des Bundesvorstandes in § 8 und die des Bundesausschusses in § 9 geregelt. In § 9 Abs. 4 der Satzung ist unter anderem festgelegt, dass der Bundesausschuss über Angelegenheiten, die für den Gesamtverband bindend sind, beschließt, wobei insbesondere auch Tariffragen erwähnt sind (Bl. 282 d. A.). Am 10. November 1990 traten die Kläger in den Bundesverband ein, wobei in einer Beitrittserklärung Einzelheiten des Beitritts dargestellt wurden, unter anderem wurde ausgeführt:

… „Mit der Mitgliedschaft im Bundesausschuss wird nicht das Recht zum Abschluss von Tarifverträgen übertragen. Für den Abschluss von Tarifverträgen für die neuen Bundesländer und den Bereich Berlin (Ost) ist der Koordinierungsausschuss zuständig, und die Tarifkommission des Bundesausschusses ist an Verhandlungen zu beteiligen. …”

(Bl. 150, 151 d.A.).

Die konstituierende Sitzung des Koordinierungsausschusses, dessen Vorsitzender entgegen der Beitrittserklärung kein Vertreter aus einem der fünf neuen Bundesländer wurde, fand am 02. März 1991 statt. In Punkt 1.3 des Protokolls der Sitzung ist festgehalten:

„Der alte Rahmenkollektivvertrag wird teilweise noch angewandt. Ziel ist es, den AWO-Bundesmanteltarifvertrag in der Zukunft für alle Arbeitsverhältnisse anzuwenden. Es wurde ein Unterausschuss der Tarifkommission gebildet, der sich mit Problemen der Tarifgestaltung und der Anwendung des AWO-Tarifvertrages in den Beitrittsländern befassen wird.” (vgl. Bl. 172 d.A.).

Am 25. März 1991 schloss die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, eine Rechtsvorgängerin der Beklagten, einen Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts-Manteltarifvertragliche Vorschriften (BMT-AW-O). Hinsichtlich der abschließenden Parteien enthält der Tarifvertrag folgende Bezeichnung:

„Zwischen

  1. der Arbeiterwohlfahrt-Bundesverband e.V. –, Bonn,
  2. dem Koordinierungsausschuss der Arbeiterwohlfahrt-Bundesverband e.V. –, Bonn

in Vollmacht für sämtliche Gliederungen der Arbeiterwohlfahrt in den Ländern Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen und Sachsen und dem Teil Berlins, in dem bis zum 03. Oktober 1990 das Grundgesetz nicht galt,

einerseits, und

der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr – Hauptvorstand –

andererseits,

wird folgender Tarifvertrag geschlossen:

…”

Die Unterzeichnung dieses Tarifvertrages auf Arbeitgeberseite erfolgte „für die Arbeiterwohlfahrt-Bundesverband e.V. – und in Vollmacht für den Koordinierungsausschuss...

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