Entscheidungsstichwort (Thema)
Anhörung des Betriebsrates. Selbstbindung des Arbeitgebers, wenn ein Begleitschreiben zur Bitte um Stellungnahme zur beabsichtigten Kündigung die Erklärung enthält, es würden Kündigungen erst ausgesprochen, wenn „in der Einigungsstelle eine Einigung über den Interessenausgleich und Sozialplan erzielt” worden sei
Leitsatz (redaktionell)
Der Arbeitgeber ist an die Erklärung in der Betriebsratsanhörung gebunden, die Kündigung würde erst ausgesprochen, wenn „in der Einigungsstelle eine Einigung über den Interessenausgleich und Sozialplan erzielt” worden sei.
Normenkette
BetrVG § 102 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 12.02.2002; Aktenzeichen 54 Ca 19466/01) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 12. Februar 2002 – 54 Ca 19466/01 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer gegenüber der Klägerin ausgesprochenen ordentlichen Kündigung, die die Beklagte auf dringende betriebliche Erfordernisse stützt.
Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 3. Juni 1987 als Krankenschwester in der von der Beklagten betriebenen Klinik beschäftigt.
Anfang Juni 2000 fasste die Beklagte den Entschluss, ihren Klinikbetrieb endgültig zum 31. Dezember 2001 stillzulegen. Aus diesem Grunde wurde eine Einigungsstelle zum Zwecke der Errichtung eines Interessenausgleichs und eines Sozialplans gebildet. Parallel dazu leitete die Beklagte mit einem Schreiben vom 20. Juni 2001 ein Anhörungsverfahren zu den beabsichtigten Kündigungen der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer ein, worunter auch die Klägerin fiel. Dem Anhörungsschreiben der damaligen Verfahrens- und ehemaligen Prozessbevollmächtigten der Beklagten war ein Anschreiben vom 19. Juni 2001 (Bl. 140 d.A) beigefügt, in dem es u.a. wie folgt heißt:
„… auch Ihnen und dem gesamten Betriebsrat gegenüber versichern wir namens und in Vollmacht unserer Mandantin, dass die beabsichtigten Kündigung erst und nur dann ausgesprochen werden, wenn in der Einigungsstelle eine Einigung über den Interessenausgleich und Sozialplan erzielt worden ist. Diese Versicherung haben wir Herrn Rechtsanwalt … gegenüber bereits in unserem Schreiben vom 14. Juni 2001 abgegeben….”
Eine Erklärung desselben Inhalts gaben die Bevollmächtigten der Beklagten gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Schreiben vom 14. Juni 2001 und in einem vom Betriebsrat eingeleiteten einstweiligen Verfügungsverfahren zum Aktenzeichen 80 BV Ga 17509/01 – gerichtet auf Unterlassung des Ausspruchs von Kündigungen – mit einem Schriftsatz vom 26. Juni 2001 ab.
Nach Eingang der Stellungnahme des Betriebsrats zur beabsichtigten Kündigung der Klägerin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit einem Schreiben vom 29 Juni 2001 (Bl. 8 d.A.) zum 31. Dezember 2001.
In der Sitzung vom 27. Juni 2001 hatte der Vorsitzende der Einigungsstelle das Scheitern der Verhandlungen über den Interessenausgleich festgestellt. Erst in der Sitzung der Einigungsstelle am 19. September 2001 kam ein Sozialplan zustande. Unter dem 26. September 2001 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin erneut vorsorglich, nunmehr zum 31. März 2002.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass beide Kündigungen rechtsunwirksam seien. Im Hinblick auf die im Begleitschreiben zum Anhörungsschreiben abgegebene Erklärung der Beklagten, sie wolle die Kündigung nur dann aussprechen, wenn in der Einigungsstelle eine Einigung über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan erzielt worden sei, sei der Betriebsrat zu einer davor erklärten Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört worden.
Von einer weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 102–104 d.A.) und auf die erstinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst den Jeweiligen Anlagen abgesehen.
Durch ein Urteil vom 12. Februar 2002 hat das Arbeitsgericht der gegen die Kündigung vom 28. Juni 2001 gerichteten Klage stattgegeben und die gegen die Kündigung vom 26. September 2001 gerichtete Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 104–106 d.A.) verwiesen.
Gegen dieses ihr am 8. März 2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 8. April 2002 bei dem Landesarbeitsgericht Berlin eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 6. Mai 2002 bei dem Landesarbeitsgericht Berlin eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Beklagte nimmt auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug, das sie teilweise wiederholt und führt zur Begründung ihres Rechtsmittels aus: Die Erklärungen in dem Schreiben vom 19. Juni 2001 und den Beschlussverfahren würden nicht zur Fehlerhaftigkeit des Anhörungsverfahrens führen. Die Erklärung, der Klinikbetrieb solle zum 31. Dezember 2001 eingestellt werden, er...