Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialkasse. Bautaucherei und baugewerbliche Tätigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. „Betonarbeiten” im Sinne von § 1 Abs. 5 Nr. 5 VTV meint die Errichtung von Bauwerken aus Beton ohne Unterschied, ob das Bauwerk zu ebener Erde oder im Wasser errichtet wird.
2. Das Abbrennen von Spundwänden unter Wasser nach Fertigstellung des Bauwerkes unterfällt weder dem Begriff des „Wasserbaus” nach § 1 Abs. 5 Nr. 23 VTV noch der „Tiefbauarbeiten” nach § 1 Abs. 5 Nr. 36 VTV, wenn die Tätigkeit erst nach Abschluss des eigentlichen Bauwerkes beginnt und die Baugrube sich nach Entfernen der Spundwände selbst flutet.
Normenkette
TVG § 4 Abs. 2; VTV
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 14.09.2005; Aktenzeichen 98 Ca 74460/03) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 14. September 2004 – 98 Ca 74460/03 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III, Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die klagende Zusatzversorgungskasse für das Baugewerbe VVAG, die nach näherer Maßgabe der für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes ist, nimmt die Beklagte auf Beitragszahlung für die Zeit von Januar 1998 bis November 1999 in Höhe von zuletzt 15.253,91 EUR, sowie für die Zeit von Dezember 1999 bis Januar 2001 und Januar bis März 2004 in Höhe von 22.521,97 EUR und auf Auskunftserteilung für den Zeitraum Januar 2002 bis Dezember 2003 in Anspruch.
Bei der Beklagten handelt es sich um einen Betrieb des Tauchgewerbes, der nicht Mitglied des Verbandes Deutscher Taucherei- und Bergungsbetriebe e.V. ist. Mit Bescheid vom 08. Februar 2002 (Bl. 22 d.A.) teilte das Landesarbeitsamt S.-A.-Th. mit, dass die Beklagte an der Winterbauumlage teilnehme.
Mit Schreiben vom 06. Oktober 2000 (Bl. 23 des verbundenen Verfahrens 98 Ca 74461/03) bat die Beklagte bei der Klägerin um eine Bescheinigung, dass für ihr Unternehmen eine Teilnahme am Urlaubskassenverfahren nicht notwendig sei. In diesem Schreiben nannte die Beklagte als Tätigkeitsschwerpunkte mit dem Anteil am Gesamtumsatz:
- „Unterwasserbrennarbeiten (ca. 35 %), Unterwasserschweißarbeiten (ca. 5 %),
- Einbau von Unterwasserbeton nach vom AG vorgegebenen Höhen und Statiken (ca. 30 %),
- Untersuchungen wasserbaulicher Anlagen (ca. 10 %),
- Verlegen von Geotextil, Saug- und Spülarbeiten, Kontrollen und weitere Dienstleistungen im Unterwasserbereich, vorwiegend für Wasserbau- und Tiefbauunternehmen (10 %),
- Reparatur und Wartung in Kühlsystemen von Kraftwerksanlagen (5 %),
- Taucherarbeiten im Zusammenhang mit der Bergung havarierter Schiffe und sonstigem schwimmenden Gerät.”
Auf Nachfrage des Klägers erläuterte die Beklagte in einem weiteren Schreiben vom 16. November 2000 (Bl. 25 des verbundenen Verfahrens 98 Ca 74461/03) die von ihr angegebenen Tätigkeiten. Sie führte u. a. aus, bei den von ihr angegebenen Unterwasserbrennarbeiten würden hauptsächlich Stahlspundwände, in deren Schutz der Bauunternehmer in einer trockenen Baugrube das Bauwerk errichte, nach Fertigstellung bzw. Abnahme unter Wasser abgebrannt und somit die Baugrube geflutet. Als Referenzobjekte nennt die Beklagte auf ihrer Internetseite (Bl. 83 ff. d. A.) für die Spundwandschneidarbeiten verschiedene Wehre und Brückenbauten, für den Einbau von Unterwasserbeton den Neubau der Kläranlage Meißen, den Neubau des Pumpwerks J., den Neubau des Mittellandkanal-Dükers, Neubau des Fußgängertunnels Bahnhof L., die Elbüberquerung W.sowie den Einbau von Grundwasserplomben in Pressgruben für den gesteuerten Rohrvortrieb.
Die klagende Zusatzversorgungskasse hat unter Bezugnahme auf die Schreiben der Beklagten vom 06. Oktober 2000 und vom 16. November 2000 sowie unter Hinweis auf den Internetauftritt behauptet, im Betrieb der Beklagten seien in dem streitgegenständlichen Zeitraum zu mehr als 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit baugewerbliche Arbeiten im Sinne des VTV ausgeführt. Dabei handele es sich um Unterwasserbetonierarbeiten wie den Einbau von Unterwasserbeton nach vom Auftraggeber vorgegebenen Höhen und Statiken, Unterwasserschweiß- und Unterwasserbrennschneidearbeiten wie die Reparatur von Stahlspundwänden, das Abbrennen der Stahlspundwände nach Fertigstellung der Bauwerke (Wehre, Brückenpfeiler etc.) und Flutung der Baugrube, Unterwasseraushub mit Baggertauchpumpen sowie Verlegen von Geotextilien unter Steinschüttungen als Schutz vor Auskolkungen. Mit diesen Arbeiten werbe die Beklagte im Internet. Auch die auf der Internetseite genannten sonstigen Unterwasserarbeiten wie das Reparieren und Erneuern von Dichtungselementen an Schleusenkammern, Rechengitter und Saugkörben, Sanierung defekter Spundwände durch Stahlblechvorplattungen in Schifffahrtskanälen und Baugruben seien als baugewerbliche Leistungen zu qualifizieren, da sie der Instandhaltung des Bauwerkes dienen würden. Tarifkonkurrenz liege nicht vor, da die ...