Entscheidungsstichwort (Thema)
Freizustellende Betriebsratsmitglieder. D'Hondtsches Höchstzahlsystem
Leitsatz (redaktionell)
1. § 4 des TV Nr. 4 der DP AG erlaubt in Abweichung von § 38 BetrVG nur die vollständige Freistellung von zwei Teilzeitkräften für einen Vollzeitbeschäftigten, die Teilfreistellung eines Vollzeitbeschäftigten ist unzulässig.
2. Bei Aufteilung einer Vollfreistellung auf mehrere Teilfreistellungen wird das Verhältniswahlrecht verletzt, wenn die Entscheidung über die Teilfreistellungen nicht der Liste zuerkannt wird, die der Vollfreistellung zufallen würde.
3. Bei Aufteilung einer Vollfreistellung auf mehrere Teilfreistellungen hat der Betriebsrat einen Beschluss zur Aufteilung der Freistellungen zu fassen.
Normenkette
BetrVG § 38
Verfahrensgang
ArbG Potsdam (Beschluss vom 26.09.2002; Aktenzeichen 3 BV 26/02) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 3) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Potsdam vom 26.09.2002 – 3 BV 26/02 – wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Wahl ihrer freizustellenden Betriebsratsmitglieder und die Verteilung der freizustellenden Betriebsratsmitglieder auf die beiden zur Wahl stehenden Listen nach dem d'Hondtschen Höchstzahlsystem.
Antragsteller, Beschwerdegegner und Beteiligte zu 1) und 2) sind in den Betriebsrat gewählte Mitglieder der Liste „Unabhängige Arbeitnehmervertreter” und als Teilzeitarbeitskräfte mit einer Wochenarbeitszeit von 20 Stunden bei der Beteiligten zu 4), der Arbeitgeberin in der Niederlassung Produktion BRIEF Bxxxxx-Südwest beschäftigt. Antragsgegner und Beschwerdeführer ist der Beteiligte zu 3), der am 08.05.2002 neu gewählte Betriebsrat der Niederlassung Produktion BRIEF Bxxxxx-Südwest, der aus 17 Mitgliedern besteht, von denen 14 der Liste „ver.di” und 3 der Liste „Unabhängige Arbeitnehmervertreter” angehören. Bei der Arbeitgeberin sind 1.847 Beschäftigte tätig.
Für die Arbeitgeberin gilt der Tarifvertrag Nr. 4 vom 05.10.1995, zuletzt geändert durch Tarifvertrag Nr. 92, in Kraft seit dem 01.03.2002, in dem in § 4 u. a. geregelt ist:
„…
(2) Die Anzahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder je Betrieb ist in den Anlagen 7 bis 13 zu diesem Tarifvertrag festgeschrieben.
(3) Bei maximal 50 Betriebsratsgremien kann eine Freistellung durch die Vollfreistellung von zwei Teilkräften realisiert werden, sofern dem nicht zwingende betriebliche Notwendigkeiten entgegenstehen. Der Freistellungsumfang der Teilkräfte darf den Freistellungsumfang einer vollbeschäftigten Kraft nicht überschreiten. Die Realisierung dieser Freistellungen erfolgt im Einvernehmen zwischen der Deutschen Post AG und dem Gesamtbetriebsrat.
…”
Nach Anlage 7 dieses Tarifvertrages beträgt die Anzahl der freigestellten Betriebsratsmitglieder für die Niederlassung Produktion BRIEF Bxxxxx-Südwest fünf.
Auf der Sitzung des Betriebsrats am 28.05.2005 fand die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder nach Top. 15 der Tagesordnung statt. Zuvor fand eine Beratung mit dem Arbeitgeber statt. Ausweislich des Sitzungsprotokolls wurden zur Vorbereitung der Wahl zwei Listen eingereicht, eine Vorschlagsliste der „Unabhängigen Arbeitnehmervertreter” mit den Beteiligten zu 1) und 2), sowie die weitere Liste „ver.di” mit fünf vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern, u. a. der Betriebsratsvorsitzenden. Die Namen der Kandidaten beider Listen wurden vorgelesen. Über eine etwaige Teilfreistellung von Betriebsratsmitgliedern wurde nicht gesprochen. Die Wahl erfolgte nach dem d'Hondtschen Höchstzahlverfahren. Von den 17 abgegebenen und gültigen Stimmen entfielen 14 auf die Liste „ver.di” und 3 Stimmen auf die Liste „Unabhängige Arbeitnehmervertreter”. Nach Aufstellung der durch die Verhältniswahl sich ergebenden Teiler wurden die ersten vier Vollfreistellungen der Liste „ver.di” zugeordnet, eine fünfte Freistellung der Liste „Unabhängige Arbeitnehmervertreter”, hier dem teilzeitbeschäftigten Beteiligten zu 1) zugeordnet und eine sechste Freistellung im Umfang von 18,5 Wochenarbeitsstunden (ein halbe Freistellung) der auf Platz 5 der Liste „ver.di” stehenden vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmerin Exxxx Mxxxxx zugeordnet. Nachdem alle gewählten Betriebsratsmitglieder die Wahl angenommen hatten, benachrichtigte die Vorsitzende des Betriebsrats mit Schreiben vom 29.05.2002 die Arbeitgeberin von der Wahl der freigestellten Betriebsratsmitglieder und bat sie um Realisierung der Teilfreistellungen gem. § 4 Abs. 3 des Tarifvertrages Nr. 4 (vgl. dazu die Unterlagen zur Wahl, Bl. 42 b. 53 d. A.).
Mit ihrem am 12.06.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag begehrten die Beteiligten zu 1) und 2) die Feststellung der Unwirksamkeit der Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder. Sie meinten, Wirksamkeitsvoraussetzung für die Wahl über die Freistellung in Fällen wie diesen sei ein Beschluss des Betriebsrats über die generelle Verteilung der freizustellenden Betriebsratsmitglieder, wenn statt der üblichen Vollzeitfreistellungen a...