Entscheidungsstichwort (Thema)
Einigungsstellenspruch. Videoüberwachung im Betrieb
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Spruch der Einigungsstelle, der die Einführung und den Betrieb einer nicht versteckten Videoüberwachungsanlage regelt, die zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten der Mitarbeiter installiert werden soll, verstößt nicht grundsätzlich gegen die den Betriebspartnern obliegenden Pflichten die freie Entfaltung der Persönlichkeit der Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Ein präventives Betreiben einer solchen Überwachung ist zulässig, wenn sie durch überwiegende betriebliche Interessen gerechtfertigt ist und die Regelungen für den Betrieb der Anlage geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen ist.
2. Für die im Rahmen des § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG zu beachtenden Grenzen des Ermessens der Einigungsstelle ist es für die Frage der Geeignetheit des Überwachungsmittels ausreichend, wenn die Möglichkeit der Zweckerreichung (hier das Verhindern und Aufklären von Straftaten der Arbeitnehmer) besteht. Die durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzte Einigung der Betriebspartner ist auch in ihrer Ausgestaltung verhältnismäßig, wenn Leistungs- und Verhaltenskontrollen ausgeschlossen sind, der Betrieb der Anlage auf festgelegte Stundenkontingente beschränkt ist, die Anlage nur durch den Betriebsrat und den Arbeitgeber gemeinsam betrieben werden kann und dem Betriebsrat bei Aufzeichnung, Auswertung, Aufbewahrung und Vernichtung des Datenmaterials hinreichende Kontrollmöglichkeiten eingeräumt sind.
Normenkette
BetrVG § 75 Abs. 2, § 76 Abs. 5 S. 4, § 87 Abs. 1 Nr. 6; GG Art. 2; BDSG § 6b
Verfahrensgang
ArbG Potsdam (Beschluss vom 28.06.2001; Aktenzeichen 4 BV 16/01) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Beschwerde des Betriebsrates gegen denBeschluss des Arbeitsgerichts Potsdam vom28.06.2001 – 4 BV 16/01 – wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird für den Betriebsrat zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs über die Einführung, den Einsatz und den Betrieb einer Videoanlage sowie die Verwertung, Aufbewahrung und Vernichtung der dabei gewonnenen Erkenntnisse und Aufzeichnungen.
Die Arbeitgeberin, die Deutsche Post AG, betreibt u. a. in Sxxxxxxxxx in der Niederlassung Produktion Brief Bxxxxx-Südwest ein Briefzentrum für den Postleitzahlenbereich 14. In diesem Briefzentrum schlägt die Beteiligte zu 2) täglich etwa 1 Million Briefsendungen um. Die Arbeitgeberin hat zur Zeit 52 Briefzentren von ca. 80 Briefzentren insgesamt mit Videoüberwachungsanlagen ausgestattet.
Zu der Niederlassung gehören ca. 2.000 Beschäftigte. Davon arbeiten bis zu 360 Mitarbeiter in verschiedenen Schichten, ca. 120 Mitarbeiter je Schicht, im Briefzentrum auf einer Fläche 10.674 qm. Bezüglich der baulichen und technischen Ausstattung des Briefzentrums wird auf die von der Beteiligten zu 2) überreichte Bestückungsskizze (Bl. 416 d. A.) verwiesen. Diese entspricht im wesentlichen der Ausstattung des Briefzentrums. Nicht installiert ist eine Maxi-Briefsortieranlage. Diese Arbeiten werden mit Handsortierung bewältigt. Im Depotbereich, in dem sich u. a. die LKW-Anlieferungsboxen befinden, werden im Wesentlichen nachts Werbesendungen umgeschlagen. Dort werden ca. 36 Mitarbeiter beschäftigt. Von der Security-Spezialistin der Arbeitgeberin wurden im Briefzentrum geöffnete Briefsendungen ohne Inhalt aufgefunden. Seit Januar 2001 handelt es sich dabei um ca. 5 -10 Briefsendungen wöchentlich. Bei diesen Briefsendungen handelt es sich um Sendungen die nach ihrem Erscheinungsbild von Mitarbeitern geöffnet und deren Inhalt weggenommen wurde. Dies erkennt die Beteiligte zu 2. daran, dass es scharfkantig aufgeschlitzte, manchmal auch mit Klebestreifen wieder verschlossene Sendungen sind, die nicht im Bereich der maschinellen Sortierung aufgefunden werden. Dies trifft auch für Warenproben zu, die grundsätzlich per Hand sortiert werden. Maschinenbeschädigte Sendungen erkennt die Beteiligte zu 2. daran, dass diese Sendungen in der Regel zerknittert aufgefunden werden und meist bereits zu einer Blockierung der Sortieranlage führen. Solche maschinenbeschädigte Sendungen werden in den meisten Fällen bei den Sortiermaschinen selbst gefunden. Sie werden durch die Security-Spezialistin nicht bearbeitet. Der Betriebsrat und die Arbeitgeberin verhandelten auf Initiative der Arbeitgeberin über die Installierung und die Inbetriebnahme einer Videoüberwachungsanlage. Eine Einigung kam bei den Verhandlungen nicht zustande. Zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten wurde eine Einigungsstelle angerufen. In der Sitzung der Einigungsstelle am 30.03.2001 beschloss die Einigungsstelle eine Betriebsvereinbarung mit vier gegen drei Stimmen. Die Betriebsvereinbarung wurde von der Vorsitzenden unterzeichnet und dem Betriebsrat und der Arbeitgeberin am gleichen Tag übergeben. Wegen des Inhaltes der Betriebsvereinbarung wird a...