Tenor

Die Berufung der Beklagten wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Gründe

1. Von einer Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen.

Die Beklagte hat die nach § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthafte Berufung form- und fristgerecht eingelegt – §§ 66 Abs. 1 S. 1 und 4, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 518, 519 ZPO.

2. In der Sache ist die Berufung ohne Erfolg. Die Beklagte muß nach den tariflichen Vorschriften eine Postdienstzeit des Klägers ab dem 08.05.1959 anerkennen. § 16 TV 401 e führt nicht zum Ausschluß von Postdienstzeiten des Klägers. Der Kläger war im Sinne dieser Vorschrift weder „für das Ministerium für Staatssicherheit” tätig, noch reicht eine Verpflichtungserklärung alleine aus, um Postdienstzeiten abzuerkennen und endlich hat der Kläger sein Recht weder verwirkt noch wirksam darauf verzichtet, es geltend zu machen.

a) Eine Tätigkeit für das MfS liegt nicht schon darin, daß der Kläger einmal mit Mitarbeitern dieser Einrichtung in einem PKW gesprochen hat. Die Beklagte übersieht, daß es nach dem Tarif Wortlaut auf die Art der Tätigkeit – „für das MfS” – und nicht auf den Ort ankommt, an dem sie verrichtet wird. Allein der Umstand, daß der Kläger sich einmal außerhalb seiner Dienststelle mit Angehörigen des MfS getroffen hat, kann daher den Ausschluß von Postdienstzeiten nicht rechtfertigen, solange nicht feststeht, daß die Mitarbeit des Klägers über rein dienstliche Kontakte hinausging, die von den Ausschlußtatbeständen des TV 401 e nicht erfaßt werden. Hierzu fehlt gerichtlich verwertbarer Sachvortrag der Beklagten. Insbesonder läßt sich dem Gauck-Bericht inclusive der über den Kläger angelegten Karteikarten nichts Entscheidendes entnehmen. Denn in diesem Bericht wird u. a. ausdrücklich festgestellt, daß die dort vorhandenen Kenntnisse nicht den Schluß zulassen, der Kläger sei für das MfS tätig gewesen.

b) Selbst wenn der Kläger sich zur Mitarbeit für das MfS verpflichtet hätte – wie die Beklagte behauptet – könnte dies allein den Ausschluß von Postdienstzeiten nicht rechtfertigen. Ziff. 1 a der Übergangsvorschrift zu § 16 TV 401 e setzt bei der Aberkennung von Postdienstzeiten eine „Tätigkeit” für das MfS voraus. Die reine Verpflichtungserklärung reicht nicht aus (vgl. LAG Köln vom 14.3.1995 – 1 Sa 1308/94 und LAG Berlin vom 7.11.1995 – 12 Sa 68/95). Daß es sich bei dem Kläger um einen „Perspektive -Agenten” gehandelt hätte, bei man das anders sehen kann, hat die Beklagte nicht behauptet.

Schon der Wortlaut der Tarifvorschrift macht deutlich, daß nur die Tätigkeit des MfS zum Verlust von Postdienstzeiten führen soll. Von einer Verpflichtungserklärung ist nicht die Rede. Der Klammersatz stellt nur klar, daß neben der hauptamtlichen Tätigkeit für das MfS auch die des informellen/inoffiziellen Mitarbeiters zum Ausschluß von Postdienstzeiten führt. Er bezieht sich erkennbar auf den Vorsatz. Die reine Verpflichtungserklärung kann nicht „Zeiten jeglicher Tätigkeit” untergeordnet werden. Soweit dort – zugegeben mißverständlich – von einer „Verpflichtung” die Rede ist, wird damit nur verdeutlicht, daß unter „informeller/inoffizieller Mitarbeit” allein Tätigkeiten zu verstehen sind, die auf einer entsprechenden Verpflichtung beruhen. So müssen Mitarbeiter der Beklagten, die – wie der Kläger – allein im Rahmen ihrer dienstlichen Stellung Kontakte zum MfS hatten, nicht mit dem Verlust von Vordienstzeiten rechnen, unabhängig davon, ob sie im Einzelfall beim MfS Aktenmäßig der Kategorie „inoffizieller Mitarbeiter” zugeordnet wurden.

Die systematische Auslegung der Übergangsregelung führt zu demselben Ergebnis. Die Buchstaben b) und c) erfassen ausdrücklich „Tätigkeiten” für die dort genannten Einrichtungen. Dazu, daß dies bei dem im Buchstaben a) geregelten Sachverhalt anders sein sollte, läßt der gesamten Vorschrift nichts entnehmen.

Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen gegen die Annahme, schon die Verpflichtung zur Tätigkeit „für das MfS” könne zum Verlust von Vordienstzeiten führen. Hatte ein Bürger der ehemaligen DDR einen Arbeitsvertrag mit dem MfS abgeschlossen, dann aber seine Tätigkeit dort nicht aufgenommen, könnten ihm Vordienstzeiten nach der Übergangsvorschrift nicht genommen werden, weil keine „Tätigkeit für das MfS” vorgelegen hätte. Warum dies anders sein soll, wenn man sich nur zur Tätigkeit als inoffizieller Mitarbeiter verpflichtet hat, ohne sie dann auszuüben, leuchtet nicht ein und war von den Tarifvertragsparteien erkennbar nicht gewollt.

Und endlich zeigt eine am Gleichheitssatz orientierte verfassungskonforme Interpretation der Überleitungsvorschriften, daß eine postdienstzeitschädliche Verstrickung erst angenommen werden darf, wenn ein Mitarbeiter tatsächlich für das MfS tätig war. Andernfalls würden im Unrechtgehalt deutlich unterschiedliche Sachverhalte unterschiedslos gleich behandelt. Der Täter würde dem „Nichttäter” gleichgestellt.

c) Der Kläger hat sein Recht aus dem TV 401 e nicht verwirkt. Die Parteien sind als Mitglieder einer Tarifvertragspartei (Kläger) und als Arbeitgeber, der selbst Partei de...

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