Verfahrensgang
ArbG Potsdam (Urteil vom 17.08.1994; Aktenzeichen 4 Ca 2959/93) |
Tenor
I. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 17.08.1994 – 4 Ca 2959/93 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Anrechnung von Beschäftigungszeiten nach den Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O.
Die am … 1939 geborene Klägerin war … 1964 bis … Juli 1970 als Fachlehrerin für die Fächer Deutsch und Geschichte an einer Oberschule in der Stadt … tätig. Ab dem … 1970 übte sie die Tätigkeit einer Schulinspektor in beim Rat der Stadt … und seit dem … 1974 die einer Schulinspektorin beim Rat des Bezirkes … aus. Die Klägerin, die Mitglied der SED war, besuchte … 1975 bis … 1976 die Bezirksparteischule. Ab … 1990 arbeitete sie in der Arbeitsgruppe Schulberatung und Information beim Rat des Bezirkes …. Nach Gründung des Landesschulamtes wurde sie … 1990 in diesem eingesetzt. Seit … 1991 übt sie die Tätigkeit als Sachbearbeiterin für Schulorganisation … des beklagten Landes aus.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet aufgrund ihrer beiderseitigen Mitgliedschaft in den den Tarifvertrag schließenden Tarifparteien der Tarifvertrag zur Anpassung des Tarif rechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) Anwendung.
Mit Schreiben vom 30. November 1993 erkannte das beklagte Land eine Beschäftigungszeit der Klägerin vom 01. August 1964 bis zum 31. Juli 1991 wegen besonderer Systemnähe nicht an.
Mit ihrer am 30. Dezember 1993 beim Arbeitsgericht Potsdam eingegangenen Klage hat die Klägerin die Anerkennung ihrer Beschäftigungszeiten seit dem 01. August 1964 begehrt. Sie hat insbesondere die Auffassung vertreten, daß keiner der Vermutungstatbestände der Ziff. 4 c vorliege und das beklagte Land eine besondere Systemnähe nicht dargelegt habe.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, daß ihre Beschäftigungszeit vom 01. August 1964 bis zum 31. Juli 1993 vom beklagten Land anzurechnen ist.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat vorgetragen: Die Tätigkeit der Klägerin als Schulinspektorin auf Kreis- bzw. Bezirksebene stelle sich als eine der oberen Führungskraft beim Rat des Bezirkes vergleichbare Funktion dar. Deshalb sei eine Systemnähe im Sinne der tarifvertraglichen Ausschlußtatbestände zu vermuten. Diese Systemnähe ergebe sich insbesondere aus den Aufgaben und der Funktion der Schulinspektor in, wie sie sich aus der Inspektionsordnung vom 15. September 1961 ableite.
Durch das am 17. August 1994 verkündete Urteil hat das Arbeitsgericht Potsdam der Klage stattgegeben und den Streitwert auf DM 6.000,00 festgesetzt. Zur Begründung hat es im wesentlichen darauf verwiesen, daß sich die Tätigkeit der Klägerin als Schulinspektor in keinem der Vermutungstatbestände der Übergangsvorschrift Nr. 4 c, aa – dd zu § 19 BAT-O zuordnen lasse. Eine besondere Systemnähe im Sinne des Tarifvertrages und eine kausale Verknüpfung dieser mit der Übertragung der entsprechenden Stelle habe das beklagte Land nicht dargelegt; hinsichtlich des weiteren Inhalts der Entscheidungsgrunde des erstinstanzlichen Urteils wird auf Blatt 53–56 der Akte Bezug genommen.
Gegen das ihm am 11. Oktober 1994 zugestellte Urteil hat das beklagte Land am 08. November 1994 beim LAG Brandenburg Berufung eingelegt und diese am 07. Dezember 1994 wie folgt begründet:
Die Nichtanrechnung der Beschäftigungszeiten der Klägerin rechtfertigten sich aus Ziff. 4 c, bb der Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O. Eine Schulinspektor in sei in einer „vergleichbaren Position” tätig geworden. Sie sei eine herausgehobene Repräsentantin des SED-Staates und seiner Bindungspolitik gewesen. Es liege auf der Hand, daß derartige Funktionäre keine systemfremden oder -neutralen Personen hätten sein können. Nie sich aus der Inspektorenordnung ergebe, hätten die Schulinspektoren die Aufgabe gehabt, System- und parteikonformes Verhalten von Schulleitung, Lehrern und Schülern sicherzustellen und die Ideologie der SED im Bildungswesen durchzusetzen. Die Kausalität zwischen der Systemnähe der Klägerin und die Übertragung der Tätigkeit folge aus dem Ausbildungsgang der Klägerin, insbesondere auch aus ihrem Besuch der Bezirksparteischule.
Das beklagte Land beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Potsdam vom 17. August 1994 – 4 Ca 2959/93 – die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor: Keiner der tariflichen Vermutungstatbestände für die Nichtanrechenbarkeit früherer Beschäftigungszeiten liege vor. Insbesondere habe sie keine Tätigkeit einer oberen Führungskraft beim Rat des Bezirkes bzw. einer vergleichbaren Person im Sinne von Ziff. 4 c, bb wahrgenommen. Sie habe insbesondere keine Untergebenen geführt, was für das Vorliegen des Tatbestandsmerkmales einer Führungskraft zwingend erforderlich sei. Für einen außerhalb des Vermutungstatbestandes liegenden vergleichbaren Sachverhalt habe das beklagte Land keine Tatsachen und Fakten vorgetragen. B...