Verfahrensgang
ArbG Neuruppin (Urteil vom 17.02.1994; Aktenzeichen 4 Ca 3044/93) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 17.02.1994 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts … – 4 Ca 3044/93 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist bei der Beklagten – einem Betrieb des Baugewerbes – als Baufacharbeiter beschäftigt. Er ist Mitglied der IG …, die Beklagte war bis zum 31.3.1993 Mitglied des für den Abschluß der Tarifverträge im Baubereich zuständigen Arbeitgeberverbandes. Die Parteien streiten um die Entlohnung des Klägers für eine Tätigkeit, die er als Arbeitnehmer der in A. ansässigen Beklagten im August 1993 im Westteil Berlins ausgeübt hat.
Der Kläger begehrt für die Dauer seiner Tätigkeit im Westteil Berlins Bezahlung nach dem dort im März 1993 geltenden Lohntarif. Hierauf läßt er sich die von der Beklagten für diesen Zeitraum bezahlte Vergütung anrechnen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 232,50 DM Brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 15.10.1993 zu zahlen.
Die Beklagte hat ihren Abweisungsantrag damit begründet, sie sei im August 1993 nicht mehr tarifgebunden gewesen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, der bis zum 31.3.1993 für A. geltende Lohntarif wirke nach und sei nach den Bestimmungen des allgemeinverbindlichen Baurahmentarifvertrages auch nach dem Austritt der Beklagten aus dem Arbeitgeberverband anzuwenden, die deshalb für die in Westberlin gearbeiteten Zeiten im August Lohn nach dem dort im März geltenden Lohntarif zahlen müsse.
Gegen dieses, der Beklagten nicht vor dem 14.3.1994 zugestellte Urteil, hat sie mit einem am 18.3.1994 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie mit einem dort am 15.4.1994 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Sie steht auf dem Standpunkt, der Ablauf eines Tarifvertrages stellte die äußerste zeitliche Grenze für die Tarifgebundenheit – auch in der Form der Nachwirkung – dar. Wer aus dem Verband ausgetreten sei, könne nicht auf Dauer an die Normen eines abgelaufenen Tarifvertrages gebunden werden.
Die Beklagte beantragt,
auf die Berufung der Beklagten das am 17.2.1994 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts – 4 Ca 3044/93 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er weist darauf hin, daß die Beklagte bisher keine neuen einzelvertraglichen Vereinbarungen mit dem Kläger getroffen hat. Solange dies nicht geschehen sei, müsse der Tarifvertrag nachwirken, damit kein regelungsfreier Raum entsteht.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den Inhalt ihrer vorgetragenen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
A. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klage ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger für seine Tätigkeit im Westteil Berlins den Lohn zu zahlen, der sich in zwischen den Parteien unstreitiger Höhe aus dem dort im März 1993 geltenden Lohntarif ergibt. Sie hat daher als Lohn für 54 vom Kläger im August 1993 geleistete Stunden zusätzlich zu den erfolgten Zahlungen 232,50 DM brutto zu zahlen.
1. Die Lohnansprüche des Klägers ergeben sich auch nach dem Verbandsaustritt der Beklagten nach § 5 Ziff. 6 BRTV-Bau und kraft Nachwirkung des für das Land Brandenburg bis 31.3.1993 geltenden Lohntarif aus dem im März 1993 für den Westteil Berlins geltenden Lohntarif.
Die Anwendung des für den West-Teil Berlins bestimmten Lohntarifs auf das „brandenburger” Arbeitsverhältnis der Parteien folgt aus § 5 Ziff. 6 BRTV. Danach gilt der Lohn der Arbeitsstelle. Auswärts Beschäftigte oder Arbeitnehmer behalten zwar den Anspruch auf den Gesamtstundenlohn ihres Einstellungsortes. Ist der Lohn der auswärtigen Arbeitsstelle jedoch höher, „haben sie Anspruch auf diesen Gesamttarifstundenlohn, solange sie auf dieser Arbeitsstelle tätig sind”. Diese Vorschrift des mit Bekanntmachung vom 8. Dezember 1992 für allgemeinverbindlich erklärten BRTV-Bau wirkt wie eine Verweisung aus dem kraft Tarifbindung geltenden Lohntarifvertrag der neuen Bundesländer auf den im Westteil Berlins geltenden Lohntarif (BAG 10.11.1993, DB 1994, 683). Die Beklagte müßte daher als Baubetrieb in einem neuen Bundesland jedenfalls als Verbandsmitglied dem Kläger den im „alten Bundesland” geltenden höheren Gesamtstundenlohn für die Zeit zahlen, in der er im Westteil Berlins tätig war.
2. Sie muß diesen Lohn auch zahlen, nachdem sie zum 31.3.1993 aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten ist. Sie kann sich nicht darauf berufen, daß damit die Tarifbindung aus § 3 Abs. 1 TVG weggefallen ist. Denn ihre Bindung an den für das Land Brandenburg geltenden Lohntarif besteht nach § 4 Abs. 5 TVG weiter, bis dessen Nachwirkung durch eine andere (auch individualrechtliche) die Parteien bindend Abmachung beendet wird. Ihrem Wortlaut nach regelt diese Vorschrift zwar nur den Rechtszust...