Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenstandswert für vergleichsweise Zeugnisregelung und Freistellung von der Arbeitspflicht. Vergleichsmehrwert für qualifizierte Zeugniserteilung mit teilweiser Festlegung des Inhalts. Versagung eines Vergleichsmehrwerts bei unterlassener Geltendmachung eines Freistellungsanspruchs
Leitsatz (redaktionell)
1. Haben sich die Parteien eines Kündigungsrechtsstreits, in dem kein Zeugnisanspruch geltend gemacht wurde, vergleichsweise auf die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses geeinigt und diesbezüglich inhaltliche Festlegungen hinsichtlich der Gesamtbeurteilung und der Schlussformulierung vereinbart, ist regelmäßig ein Vergleichsmehrwert in Höhe eines Bruttomonatsverdienstes anzunehmen.
2. Vereinbaren die Parteien eines Kündigungsrechtsstreits insbesondere im Hinblick auf die Gesamtbeurteilung den Inhalt eines Arbeitszeugnisses, spricht dieser Umstand im Sinne einer tatsächlichen Vermutung für eine vorherige Erörterung und eine Ungewissheit hinsichtlich der beidseitigen Vorstellungen über den Zeugnisinhalt. Das genügt für die Annahme eines überschießenden Vergleichsmehrwertes, da die gesetzliche Regelung in Nr. 1000 RVG-VV den Parteien oder deren Prozessbevollmächtigten einen Anreiz geben soll, einen Streit oder eine Ungewissheit hinsichtlich eines Rechtsverhältnisses gütlich beizulegen, was der Prozessökonomie und im Ergebnis der Entlastung der Gerichte dient.
3. Durch die vergleichsweise Vereinbarung der Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses mit einer bestimmten Gesamtbeurteilung, auf das gemäß § 109 GewO ein gesetzlicher Anspruch besteht, wird regelmäßig zumindest die Ungewissheit im Hinblick auf ein Rechtsverhältnis beseitigt und eine potentielle zukünftige gerichtliche Auseinandersetzung im Hinblick auf den Inhalt des qualifizierten Arbeitszeugnisses vermieden.
4. Hat kein Prozessbeteiligter einen Anspruch auf Freistellung oder ein Recht zur Freistellung geltend gemacht, wirkt die vergleichsweise vereinbarte Freistellung des Arbeitnehmers nicht werterhöhend.
Normenkette
GewO § 109; ZPO § 278 Abs. 6; BGB § 779; RVG § 33 Abs. 1; RVG-VV Nr. 1000
Verfahrensgang
ArbG Bremen-Bremerhaven (Entscheidung vom 03.08.2017; Aktenzeichen 4 Ca 4302/17) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 03. August 2017 - 4 Ca 4302/17 - teilweise abgeändert. Der überschießende Vergleichsmehrwert wird auf 3.260,83 EUR reduziert.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beschwerdeführer mit der Maßgabe zu tragen, dass die zu zahlende Gebühr auf die Hälfte reduziert wird.
Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Gründe
I.
Die Beschwerde betrifft die Festsetzung des Wertes des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit gemäß § 33 Abs. 1 RVG.
Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 01. April 2002 beschäftigt. Zuletzt erzielte er ein durchschnittliches monatliches Arbeitsentgelt i.H.v. 3.260,83 € brutto. Mit Schreiben vom 21. Juni 2017 kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. Dezember 2017. Eine Freistellung des Klägers erklärte die Beklagte in dem Kündigungsschreiben nicht. Wegen der Einzelheiten des Kündigungsschreibens wird auf Bl. 12 der Akte verwiesen.
Mit seiner Klage vom 22. Juni 2017 hat der Kläger die Unwirksamkeit der durch die Beklagte ausgesprochenen Kündigung vom 21. Juni 2017 geltend gemacht. Mit verfahrensbeendenden Vergleich vom 26. Juli 2017 (Bl. 36 - 38 der Akte) vereinbarten die Parteien unter anderem folgendes:
"3. Die Beklagte stellt den Kläger mit Wirkung ab dem 01.07.2017 unter Fortzahlung der Vergütung unwiderruflich von der Verpflichtung zur Erbringung einer Arbeitsleistung frei. Die Freistellung erfolgt unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche sowie etwaige Ansprüche aus Zeitguthaben.
[...]
6. Die Beklagte erteilt dem Kläger unter dem Ausstellungsdatum der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein wohlwollendes und berufsförderndes Arbeitszeugnis mit einer guten Leistungs- und Führungsbeurteilung und den üblichen Schlussformulierungen (Bedauern, Dank und gute Wünsche). Bis zum 11.08.2017 erteilt die Beklagte dem Kläger ein Zwischenzeugnis mit einer guten Leistungs- und Führungsbeurteilung."
Auf Antrag der Prozessbevollmächtigten des Klägers hat das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit durch Beschluss vom 03. August 2017 (Bl. 42 der Akte) für das Verfahren auf € 9.782,49 sowie den überschießenden Vergleichsmehrwert auf € 6.521,66 festgesetzt. Dieser Beschluss wurde entsprechend der richterlichen Verfügung vom 03. August 2017 (Bl. 43 d.A.) ausschließlich den Prozessbevollmächtigten des Klägers und nicht diesem persönlich zugestellt. Die Zustellung bei den Prozessbevollmächtigten des Klägers erfolgte am 09. August 2017 (Bl. 43a d.A.).
Gegen den Wertfestsetzungsbeschluss hat der Kläger durch Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 07. September...