Verfahrensgang

ArbG Bremen (Beschluss vom 17.11.1993; Aktenzeichen 3 Ca 3217/92)

 

Tenor

Auf die zur Beschwerde gewordene Erinnerung des Klägers wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Bremen vom 17. November 1993 aufgehoben.

Es werden weiterhin aufgrund der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers keine Ratenzahlungen wegen der durch Beschluß vom 27. Juli 1992 gewährten Prozeßkostenhilfe festgesetzt.

 

Gründe

Seit der Entscheidung vom 14. Mai 1993 – 4 Sa 13/93 – geht das Landesarbeitsgericht Bremen in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschriften über die Gewährung von Prozeßkostenhilfe ergibt, daß trotz der vom Gesetzgeber vorgegebenen statischen Tabellenwerte eine Abweichung von dieser dann geboten ist, wenn eine Anwendung der Tabelle dazu führen würde, daß eine Belastung mit den Kosten der Prozeßführung den notwendigen Lebensunterhalt des Antragstellers erheblich beeinträchtigen würde. Eine solche Beeinträchtigung nimmt die Kammer an, wenn nach Abzug der Raten gemäß der Tabelle zu § 114 ZPO der Antragsteller ein geringeres Einkommen hätte als das, welches ihm von dem Sozialstaat Bundesrepublik Deutschland zur Sicherung des Existenzminimums gezahlt werden würde, wenn er nicht arbeiten würde und damit kein eigenes Einkommen hätte, er also weniger Geld zur Verfügung hat als wenn er Sozialhilfe beziehen würde (vgl. nähere Begründung dieser Entscheidung LAG Bremen, LAGE § 114 ZPO Nr. 24).

Die Kammer hat in jener Entscheidung ferner darauf hingewiesen, daß bei einer Vergleichsrechnung das Einkommen um die Beträge zu ermäßigen ist, die nach § 115 Abs. 1 Satz 3 und Absatz 2 ZPO abzuziehen sind und daß die strengen Anforderungen des Sozialhilferechts für die Gewährung von Leistungen nach §§ 22, 12 ff BSHG in den Fällen nicht anzulegen sind, in denen Arbeitnehmer im Berufsleben stehen und arbeiten, jedoch ein geringes Einkommen haben. Der Kläger im zugrundeliegenden Rechtsstreit, der nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts nunmehr Raten zahlen soll, steht in einem Arbeitsverhältnis. Ihm ist deshalb der Mehrbedarf, den auch die Sozialhilfe anerkennt, weil er in einem Arbeitsleben steht, zuzuerkennen.

Die Verwaltungsanweisung des Senators für Gesundheit, Jugend und Soziales des Landes Bremen zu § 23 Abs. 4 – Mehrbedarf für Erwerbstätige – sieht folgende Bestimmungen vor:

1. Die Regelsätze sind auf den Bedarf nicht berufstätiger Hilfeempfänger ausgerichtet. Selbst der geringfügig Erwerbstätige hat jedoch einen gesteigerten Bedarf. Zudem soll der Selbsthilfewille gestärkt werden.

3. Der Mehrbedarf errechnet sich

3.1 für Personen, die einer Tätigkeit nachgehen aus einem Grundbetrag von 25 v. H. des Eckregelsatzes in Höhe des Einkommens, wenn es darunter liegt, zuzüglich eines Betrages von 20 v. H. des übersteigenden Einkommens bis höchstens 50 v. H. des Eckregelsatzes.

3.2 …

3.3 …

Bei der Prüfung der Einkommensverhältnisse eines Antragstellers im Prozeßkostenhilfeverfahren und Beantwortung der Frage, ob dem Antragsteller die für die Führung eines menschenwürdigen Lebens aufgrund des Sozialstaatsgebotes erforderliche Einkommen verbleibt, sind deshalb die Einkommensgrenze um den Mehrbedarf für Erwerbstätige zu erhöhen. Die Prozeßkostenhilfe würde sonst die Bestimmungen des Sozialhilferechts konterkarieren. Das, was demjenigen nach dem Sozialhilferecht verbleibt, muß ihm auch nach den Bestimmungen über die Gewährung von Prozeßkostenhilfe verbleiben. Prozeßkostenhilfe ist Sozialhilfe. Ferner müßten dem Antragsteller sonst die Beträge, die er an die. Gerichtskasse zahlt, von der Sozialbehörde erstattet werden, wenn durch sie das Existenzminimum, das bei einem Berufstätigen höher anzusetzen ist als bei einem nicht im Arbeitsleben Stehenden unterschritten würde.

Die Anwendung dieser Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Bremen auf den vorliegenden Fall ergibt folgende Berechnung:

Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers stellen sich wie folgt dar:

Durchschnittliches Einkommen mtl.

DM

1.153,12

abzuziehen sind der Krankenkassenbeitrag

DM

131,62

und die Werbungskostenpauschale

dm

47,–

Danach verbleiben

DM

974,50

Weiterhin ist abzuziehen die Kaltmiete, soweit sie 18,4 % des verbleibenden Einkommens übersteigt,

Kaltmiete

DM

250,–

18,4 % von DM 974,50

DM

179,31

abzusetzen sind somit

DM

70,69

DM

70,69

Das nach § 114 ff ZPO zu berücksichtigende Einkommen beträgt danach

DM

903,81

Im zu entscheidenden Fall ist aber zu berücksichtigen, daß der Kläger einer Erwerbstätigkeit nachgeht und ihm deswegen nach § 23 Abs. 4 BSHG ein Mehrbedarfszuschlag zusteht, der sich wie folgt berechnet:

Grundbetrag

DM

521,–

+ 20 % für Kleidung etc.

DM

104,20

+ Miete warm

DM

318,27

+ Krankenkassenbeitrag

DM

131,62

+ Mehrbedarf für Erwerbstätigkeit, die sich wie folgt berechnet

25 % vom Grundbetrag von DM 521.–

= DM

130,25

für das darüber hinausgehende anzurechnende Einkommen von DM 974,50 20 %

Somit 20 % v. DM 974,50

./. DM 130,25

= DM

168,85

zusammen

DM

299,10

höchstens jedoch 50 % des Grundbetrages

= DM

26...

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