rechtskräftig

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Beurteilung der Vermögensverhältnisse eines Klägers gemäß § 115 ZPO ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung über das PKH-Gesuch abzustellen.

2. Eine aus Anlaß der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Abfindung bleibt als „zweckgebundenes Vermögen” (soziales Schmerzensgeld) nur dann als Vermögenswert (§ 115 III ZPO i.V.m. § 88 II + III BSHG) außer Betracht, wenn die Höhe der Abfindung den sich aus §§ 9, 10 KSchG ergebenden Bemessungsgrundsätzen entspricht.

Bei einem Arbeitsverhältnis, das ca. 2 Jahre besteht, kann deshalb höchstens ein Betrag, der 1 ½ Monatsgehältern entspricht (Obergrenze), außer Betracht bleiben. Die darüber hinaus gezahlte Abfindung ist als Vermögenswert einzusetzen. Erreicht dieser Betrag die an den Prozeßbevollmächtigten zu zahlenden Anwaltsgebühren, ist Prozeßkostenhilfe zu versagen.

 

Verfahrensgang

ArbG Bremerhaven (Beschluss vom 13.02.1998; Aktenzeichen 1 Ca 853/97)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Bremerhaven vom 13.02.1998 wird auf seine Kosten als unbegründet zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert beträgt DM 1.699,40.

 

Tatbestand

I

Der Kläger ist seit dem 01.11.1995 bei der Beklagten als Produktionsarbeiter zu einem durchschnittlichen Bruttoarbeitsverdienst von DM 4.000,00 beschäftigt.

Die Beklagte beschäftigt über zehn Vollzeitkräfte ausschließlich der Auszubildenden.

Das Kündigungsschutzgesetz findet auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.

Mit Schreiben vom 31.10.1997 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 16.11.1997.

Der Kläger hat gegen diese Kündigung mit einem am 17.11.1997 beim Arbeitsgericht Bremerhaven eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben.

In der Verhandlung vom 29.01.1998 schlossen die Parteien folgenden Vergleich:

  1. Die Parteien sind sich darüber einig, daß das Arbeitsverhältnis durch betriebsbedingte Kündigung vom 31.10.1997 unter Beachtung der tariflichen Kündigungsfrist zum 16.11.1997 sein Ende gefunden hat. Bis zu diesem Zeitpunkt ist das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß, einschließlich der anteiligen Sonderzahlung (Weihnachtsgeld) abzurechnen und der sich daraus ergebende Nettobetrag an den Kläger bis zum 05.02.1998 zur Auszahlung zu bringen.
  2. Die Beklagte stellt dem Kläger bis zum 05.02.1998 ein qualifiziertes, seinem beruflichen Fortkommen dienliches Zeugnis aus.
  3. Für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt die Beklagte an den Kläger in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG in Verbindung mit § 3 Ziffer 9 EStG eine Abfindung in Höhe von DM 20.000,00.
  4. Damit ist der Rechtsstreit zum Aktenzeichen 1 Ca 853/97 erledigt.

Mit der Klage hat der Kläger zugleich beantragt, ihm Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwältin … zu bewilligen.

Dem Antrag war eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers beigefügt, die allerdings nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis durch einen am 02.02.1998 beim Arbeitsgericht Bremerhaven eingegangenen Schriftsatz aktualisiert wurde.

Das Arbeitsgericht Bremerhaven hat durch Beschluß vom 13.02.1998 den Antrag des Klägers auf Prozeßkostenhilfe zurückgewiesen. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf Bl. 39 ff. d. PKH-A. verwiesen.

Gegen diesen Beschluß hat der Kläger mit einem am 09.03.1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

Der Kläger ist der Auffassung, das Arbeitsgericht Bremerhaven habe die Vermögensverhältnisse, die zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht vorgelegen hätten, nicht berücksichtigen dürfen. Auch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Prozeßkostenhilfe sei die Abfindungszahlung noch nicht gewährt worden.

 

Entscheidungsgründe

II

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

1. Das Arbeitsgericht hat zu Recht bei seiner Entscheidung für die Frage, ob eine Bedürftigkeit im Sinne des § 114 ZPO vorliegt, auf den Zeitpunkt der Beschlußfassung abgestellt.

Grundlage jeder gerichtlichen Entscheidung in der Tatsacheninstanz ist nämlich grundsätzlich der letzte Erkenntnisstand des Gerichts, also der Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Beschlußfassung. Daß dies für die Beurteilung der Bedürftigkeit gilt, folgt schon aus § 124 Nr. 3 ZPO. Hiernach kann nämlich sogar eine bereits gewährte Prozeßkostenhilfe aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen dafür nicht vorgelegen haben (vgl. dazu OLG Frankfurt, Juristisches Büro 1982 S. 1260; OLG Saarbrücken, Juristisches Büro 1985 S. 600; OLG Karlsruhe, FamRZ 1985 S. 1274; OLG Zweibrücken. Juristisches Büro 1986 S. 1251; OLG Bamberg, Juristisches Büro 1990 S. 1644; LAG Düsseldorf, Juristisches Büro 1986 S. 608; Zöller, ZPO 20. Aufl. § 119 Rdz. 44).

2. Die sehr hohe Abfindungszahlung von DM 20.000,00 mußte für die Beurteilung der Frage der Bedürftigkeit vom Arbeitsgericht berücksichtigt werden.

Das Landesarbeitsgericht Bremen – 4. Kammer – hält zwar an seiner Auffassung fest, daß es sich bei der gemäß den §§ 9, 10 KSchG gewährten Abfindung um eine Zahlung handelt, die – ähnlich wie das Sch...

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