Leitsatz (amtlich)

Die Rechtskraft einer Entscheidung in einem Beschlußverfahren, mit der bindend für den Betriebsrat und Arbeitgeber festgestellt wurde, daß Rehabilitanden Auszubildende i. S. von § 5 BetrVerfG sind, ist auch dann in einem Wahlanfechtungsverfahren zwischen denselben Betriebsparteien, in dem es auf eben diese Rechtsfrage ankommt, zu beachten, wenn die höchstrichterliche Rechtsprechung inzwischen eine gegenteilige Rechtsauffassung vertritt.

 

Verfahrensgang

ArbG Bremen (Beschluss vom 28.09.1994; Aktenzeichen 5 BV 26/94)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 20.03.1996; Aktenzeichen 7 ABR 41/95)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin – Beteiligte zu 1 – gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Bremen vom 28.09.1994 – 5 BV 26/94 – wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligte zu 1.– Arbeitgeberin – begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit der in ihrem Betrieb am 09.05.1994 durchgeführten Betriebsratswahl. Beteiligter zu 3 ist der bei der Beteiligten zu 1 gebildete Betriebsrat, Beteiligter zu 4 die Jugend- und Auszubildendenvertretung. Dabei streiten die Beteiligten im Kern darüber, ob die Teilnehmer an einer Berufsausbildungsmaßnahme beim Berufsbildungswerk Arbeitnehmer i. S. von § 5 Abs. 1 BetrVG sind.

Der Betriebszweck der Arbeitgeberin besteht in der Berufsausbildung junger Menschen. Die Ausbildung findet im Rahmen eines Rehabilitationsauftrages gem. §§ 56 AFG und ähnlicher Vorschriften statt. Die Auszubildenden in den verschiedenen Berufsgruppen erbringen keine Arbeitsleistungen, die wirtschaftlich verwertet werden.

Zur Zeit werden bei der Arbeitgeberin 314 Personen ausgebildet, außerdem beschäftigt sie weitere 275 Arbeitnehmer. Die Berufsausbildung erhalten teilweise minderjährige, teilweise volljährige Personen, die Ausbildungsverträge mit der Arbeitgeberin abschließen. Die Ausbildungen enden mit den Abschlußprüfungen an der Berufsschule und vor dem Prüfungsausschuß der zuständigen Kammer. Die Arbeitgeberin führt in ihrer Einrichtung sowohl die praktischen als auch die schulischen Ausbildungsteile selbst durch, die Berufsschule ist in die Ausbildung integriert und wird von der Arbeitgeberin selbst betrieben. Bei den Personen die ausgebildet werden, handelt es sich um körper- und/oder lernbehinderte bzw. verhaltensauffällige junge Menschen. Die Ausbildung wird gem. § 56 AFG i.V.m. der Anordnung über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter (A-Reha) der Bundesanstalt für Arbeit von dieser finanziert. Die meisten der Auszubildenden leben in einem Internat, welches der Arbeitgeber ebenfalls betreibt. Neben der Ausbildung erbringt er eine Reihe weiterer pädagogischer, sozialtherapeutischer, psychotherapeutischer sowie medizinischer Leistungen.

Das Landesarbeitsgericht Bremen hatte mit rechtskräftigem Beschluß vom 05.09.1991, 3 Ta BV 33/90, einen Antrag der Arbeitgeberin abgewiesen, mit dem festgestellt werden sollte, daß die durch sie betreuten Rehabilitanden keine Arbeitnehmer i. S. von § 5 BetrVG seien. Mit diesem Beschluß bestätigte das Landesarbeitsgericht eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Bremen vom 11.7.1990 – 5 BV 16/90 –. Wegen der Gründe wird auf die genannten Entscheidungen Bl. 168 ff und Bl. 211 ff d. beigezogenen Akte 3 Ta BV 33/90 verwiesen.

Die Auszubildenden (Rehabilitanden) waren in die Wählerliste für die Betriebsratswahl am 09.05.1994 aufgenommen worden und haben an der Wahl des Betriebsrats teilgenommen. Das Ergebnis der Betriebsratswahl wurde durch Aushang vom 10.05.1994 bekanntgegeben (Bl. 57, 58 d. A.). Mit Antrag vom 16.05.1994 machte die Arbeitgeberin die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl geltend.

Die Arbeitgeberin war im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des 7. Senats des BAG (7 ABR 35/92 vom 21.07.1993 und 7 ABR 13/92 vom 26.01.1994) der Auffassung, daß die Auszubildenden (Rehabilitanden) nicht als Arbeitnehmer i. S. von § 5 BetrVG anzusehen seien, da sich ihre Ausbildung nicht im Rahmen eines arbeitstechnischen Betriebszwecks vollziehe, sondern die Ausbildung selbst der wesentliche Betriebszweck sei. Das Ergebnis der Betriebsratswahl beruhe auf dieser Verkennung des Arbeitnehmerbegriffs.

Die Beteiligte zu 1. – Arbeitgeberin – hat beantragt,

die Betriebsratswahl vom 09.05.1994 für unwirksam zu erklären.

Die Beteiligten zu 3.– Betriebsrat – und 4. Jugend- und Auszubildendenvertretung – haben beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie waren der Auffassung, der Antrag sei unzulässig, da die Streitfrage durch den rechtskräftigen Beschluß des LAG Bremen vom 05.09.1991 (3 Ta BV 33/90) rechtskräftig entschieden sei. Außerdem sei der in der älteren Rechtsprechung des BAG und des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vertretenen Auffassung zu folgen, wonach die Auszubildenden (Rehabilitanden) als Arbeitnehmer i. S. von § 5 BetrVG anzusehen seien.

Das Arbeitsgericht Bremen hat am 28.9.1994 folgenden Beschluß gefaßt:

  1. Der Antrag wird abgewiesen.
  2. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.

Zur Begründung hat das Arbeitsgerich...

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