Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsfolgen des Wegfalls der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers bei einer vor dem 01.01.2002 vereinbarten Bezugnahmeklausel und späterer Vereinbarung des Wegfalls übertariflicher Zulagen
Leitsatz (amtlich)
1. Kommt es in Arbeitsverhältnissen mit einer Bezugnahmeklausel, die vor dem 01.01.2002 vereinbart worden ist - sog. Altvertrag - nach dem 31.12.2001 zu einer Arbeitsvertragsänderung, hängt die Beurteilung, ob es sich hinsichtlich dieser Klausel um einen Alt- oder Neuvertrag handelt, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon ab, ob die Klausel zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Parteien des Änderungsvertrages gemacht worden ist. Letzteres ist auch dann anzunehmen, wenn die Parteien ein Schreiben unterzeichnen, in dem der Arbeitgeber zur Sicherung der Arbeitsplätze und zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen "im Gegenzug" um das Einverständnis des Arbeitnehmers bittet, dass der Arbeitgeber zukünftig keine übertariflichen Leistungen mehr zahlt, sondern nur noch Tariflohn.
2. Mit der Zusage des Arbeitgebers, auch zukünftig Tarifleistungen zu erbringen, ist die Bezugnahmeklausel zum Gegenstand der Willensbildung im Rahmen des Änderungsvertrages gemacht worden.
Normenkette
BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
ArbG Bremen-Bremerhaven (Entscheidung vom 08.06.2017; Aktenzeichen 5 Ca 5521/16) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird unter teilweiser Abänderung des am 08.06.2017 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven, Az.: 5 Ca 5521/16, die Beklagte verurteilt,
1. an den Kläger für den Monat September 2016 Vergütung in Höhe von 80,91 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2016 zu zahlen;
2. an den Kläger für den Monat Oktober 2016 Vergütung in Höhe von 80,91 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2016 zu zahlen;
3. an den Kläger für den Monat November 2016 Vergütung in Höhe von 135,06 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2016 zu zahlen;
4. an den Kläger für den Monat Dezember 2016 Vergütung in Höhe von 93,28 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2017 zu zahlen;
5. an den Kläger für den Monat Januar 2017 Vergütung in Höhe von 96,05 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2017 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 5/19, die Beklagte 14/19.
Die Revision für die Beklagte wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche des Klägers gegenüber der Beklagten.
Der Kläger, der Mitglied der Gewerkschaft ver.di ist, wurde zum 15.02.1996 bei der Beklagten als Fachhelfer im Druckhaus eingestellt. Der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag vom 09.07.1997 (Bl. 6 d.A.) enthält unter Ziffer 4. die folgende Regelung:
"Der Beschäftigte erhält einen Stundenlohn von 22,20 DM brutto,...
Der vorstehende Lohn setzt sich wie folgt zusammen:
Tariflohn nach Lohngruppe L IV a DM 776,90 wöchentlich....."
Nach Ziffer 11 gelten im Übrigen die tarifvertraglichen Bestimmungen. Zuletzt erhielt der Kläger einen Stundenlohn von € 17,21.
Vom 01.04.1998 bis zum 01.03.2000 war der Kläger in Lohngruppe V und sodann in LG VII eingruppiert (Bl. 199 Rs. d.A.).
Zunächst erhielt der Kläger auch eine übertarifliche Zulage. Vor dem Hintergrund einer anhaltenden negativen Umsatzentwicklung wandte sich die Beklagte mit Schreiben vom 28.04.2005 an den Kläger (Bl. 62 d.A.) und erläuterte, dass zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen tarifliche Neueinstufungen und die Streichung übertariflicher Zulagen erforderlich seien. Des Weiteren heißt es in dem Schreiben:
"Im Gegenzug erbitten wir jedoch von Ihnen Ihr Einverständnis damit, dass wir mit Wirkung ab 1. Juli 2005
- Sie in die für Ihre Tätigkeit zutreffende Lohn-/Gehaltsgruppe L VI einstufen und
- Ihnen auch nur noch die sich aus Lohn-/Gehalts- bzw. Manteltarifvertrag ergebenden Bezüge und Zuschläge (dazu gehören auch Urlaubsgeld und Jahresleistung) zahlen, nicht mehr jedoch übertarifliche/sonstige Zulagen.
Ihr tariflicher Stundenlohn beläuft sich demgemäß ab 1. Juli 2005 auf brutto Euro 16,47.
Bitte erklären Sie durch Unterzeichnung der beigefügten Kopie Ihre Zustimmung und reichen dann diese Kopie bis zum 10. Mai 2005 an die Personalabteilung zurück."
Hiermit erklärte sich der Kläger durch Unterschrift vom 08.05.2005 ausdrücklich einverstanden.
Mit Schreiben vom 28.06.2006 (Bl. 8 d.A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er solange er als Newsliner-Maschinenführer eingesetzt werde, nach Lohngruppe V eingruppiert sei und ab 01.11.2006 einen Stundenlohn von € 15,13 brutto erhält.
Bis Juni 2016 gab die Beklagte Tariflohnerhöhungen jeweils an den Kläger weiter.
Zunächst war die Beklagte tarifgebundenes Mitglied des Landesverbandes Druck und Medien. Mit Schreiben vom 12.05.2016 (Anl. B 1, Bl. 40 d.A.)...