Verfahrensgang
ArbG Bremerhaven (Urteil vom 14.11.1996; Aktenzeichen 1 Ca 517/95) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremerhaven vom 14.11.1996 – Az.: 1 Ca 517/95 – wird auf ihre Kosten als unbegründet zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien haben in der ersten Instanz um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung vom 28.06.1995 und über die Wirksamkeit einer mit Schreiben vom 26.07.1996 ausgesprochenen Kündigung gestritten.
Nachdem das Landesarbeitsgericht durch Beschluß vom 09.01.1998 das Verfahren bzgl. des Klagantrags zu 2., mit dem die Klägerin sich gegen die Kündigung vom 26.07.1996 wendet, zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt hat, ist Gegenstand dieser Entscheidung die Kündigung vom 28.06.1995. Ferner ist der Feststellungsantrag, mit dem die Unwirksamkeit des Widerrufs der Bestellung der Klägerin zur Betriebsärztin und ihrer Abberufung verlangt wird, sowie der Weiterbeschäftigungsantrag (Klaganträge zu 3. und 4.) Gegenstand der Entscheidung.
Die am 22.10.1939 geborene Klägerin war seit dem 01.07.1985 bei der Sch. AG (im folgenden: Gemeinschuldnerin) als Betriebsärztin zu einem durchschnittlichen monatlichen Bruttogehalt von DM 13.710,00 beschäftigt. Sie war die einzige Ärztin bei der Gemeinschuldnerin.
Neben der Klägerin waren in der betriebsärztlichen Stelle der Gemeinschuldnerin zum Zeitpunkt der Kündigung weitere drei Mitarbeiter, nämlich zwei Arzthelferinnen (eine Vollzeit- und eine Teilzeitkraft) sowie ein Sanitäter in Vollzeit beschäftigt. Die betriebsärztliche Stelle befindet sich in Räumlichkeiten der Gemeinschuldnerin und ist mit den notwendigen Möbeln und Gerätschaften ausgestattet. Der Sanitäter ist per 31.12.1995 bei der Gemeinschuldnerin ausgeschieden.
Neben der Tätigkeit für die Gemeinschuldnerin hat die Klägerin auch während ihrer Arbeitszeit die betriebsärztlichen Funktionen für die Unternehmen G. GmbH und N. GmbH ausgeübt und war im werfteigenen Rettungsdienst eingesetzt.
Bei der Gemeinschuldnerin bestand ein Betriebsrat. Die Klägerin stand bei den Betriebsratswahlen jeweils auf der Wählerliste.
Der Betriebsrat war wegen der angespannten finanziellen Situation der Gemeinschuldnerin von sich aus an die Gemeinschuldnerin herangetreten und hatte u.a. Vorschläge zur Kostenreduzierung bzgl. des betriebsärztlichen Dienstes unterbreitet.
Am 19.06.1995 hat der Vorstand der Gemeinschuldnerin beschlossen, „den eigenen betriebsärztlichen Dienst in der bisherigen Form zum 31.12.1995 aufzulösen und einen überbetrieblichen betriebsärztlichen Dienst zu beauftragen oder mit dem betriebsärztlichen Dienst der Br. zusammenzuarbeiten.” In der entsprechenden Vorlage für den Vorstand heißt es:
„Problemstellung
Neuordnung des betriebsärztlichen Dienstes:
Der betriebsärztliche Dienst ist im Jahr 1992 schon einmal hinsichtlich der Kostensituation geprüft worden. Dabei wurde festgestellt, daß die Inanspruchnahme eines überbetrieblichen betriebsärztlichen Dienstes kostengünstiger ist als die Aufrechterhaltung eines eigenen arbeitsmedizinischen Dienstes.
Aufgrund des weiteren Rückganges der Personalzahlen, die maßgeblichen Einfluß auf die Einsatzzeit des Betriebsarztes haben, sollte eine Neuordnung des betriebsärztlichen Dienstes nunmehr dringend erwogen werden.
Hinzu kommt, daß es ständig Querelen zwischen dem betriebsärztlichen Dienst, dem Sicherheitsingenieur und auch dem Betriebsrat kommt und eine gedeihliche Zusammenarbeit im Interesse des Unternehmens kaum noch möglich erscheint.
Ein von uns angestellter Kostenvergleich ergab, daß die „Fremdvergabe” des betriebsärztlichen Dienstes mindestens 120 Tsd. DM pro Jahr günstiger ist als der SSW-eigene betriebsärztliche Dienst.
Lösungsvorschlag:
Es wird vorgeschlagen, den betriebsärztlichen Dienst zum 31.12.1995 in der bisherigen Form aufzulösen und sich einem überbetrieblichen Betriebsarztzentrum anzuschließen. Gleichzeitig ist zu prüfen, ob eine Zusammenarbeit mit dem betriebsärztlichen Dienst der Br. möglich ist.”
Die Gemeinschuldnerin wandte sich daraufhin mit folgendem Schreiben vom 21.06.1995 an den Betriebsrat:
„Betreff: Betriebsärztlicher Dienst
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Vorgänge in der letzten Zeit haben uns veranlaßt, über die Zusammenarbeit und die Organisation des betriebsärztlichen Dienstes konkret nachzudenken und haben uns entschlossen,
die Bestellung der Betriebsärztin, Frau Dr. B., gemäß §§ 2 und 3 Arbeitssicherheitsgesetz zum 31.12.1995 zu widerrufen und sie als Betriebsärztin der Sch. AG abzuberufen,
das mit Frau Dr. B. bestehende Dienstverhältnis als Betriebsärztin fristgerecht zum 31.12.1995 zu beenden.
Da Frau Dr. B. im Rahmen ihres Dienstverhältnisses mit Sch. AG auch die Mitarbeiter von G. GmbH wie auch N. GmbH arbeitsmedizinisch betreut, sollen die dortigen Geschäftsleitungen auf die vorgesehene Abberufung hingewiesen werden.
Zur Erläuterung der Entscheidung des Vorstandes zur Beendigung der Zusammenarbeit mit der Betriebsärztin einerseits wie auch zu ihrer Abberuf...