Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachteil bei der Vergütung durch Personalratstätigkeit als freigestelltes Mitglied

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 39 Abs. 1 BremPersVG führen die Mitglieder des Personalrats ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt. Nach dessen S. 2 darf ihre Tätigkeit nicht zur Benachteiligung im beruflichen Aufstieg führen. § 39 Abs. 1 BremPersVG ergänzt das in § 56 Abs. 1 BremPersVG normierte Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot. Das Benachteiligungsverbot tritt als selbstständige Anspruchsgrundlage neben die der Regelung in § 37 Abs. 4 BetrVG entsprechende Regelung des § 39 Abs. 3 BremPersVG.

2. Freigestellte Personalratsmitglieder sind gem. § 39 Abs. 9 BremPersVG deshalb hinsichtlich ihres beruflichen Fortkommens so zu behandeln, als ob sie nicht freigestellt wären. Beide Normen enthalten nicht nur ein Verbot der Schlechterstellung, sondern auch ein an den Dienstherrn bzw. Arbeitgeber gerichtetes Gebot der Gleichstellung, das darin besteht, einem freigestellte Personalratsmitglied eine berufliche Entwicklung zukommen zu lassen, wie sie ohne Freistellung verlaufen wäre. Die Benachteiligungsverbote in der bremischen Personalvertretung sind ebenso wie die des Bundespersonalvertretungsgesetzes als Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB anzusehen, deren schuldhafte Verletzung Schadensersatzansprüche des Verletzten auslösen kann. Sie können aber auch als unmittelbar anspruchsbegründende Norm dienen, aus der sich ein Erfüllungsanspruch oder auch ein Unterlassungsanspruch, der von einem Verschulden unabhängig ist, ergeben kann. Entsprechendes gilt für die Kehrseite des Benachteiligungsverbots, das Gleichstellungsgebot.

3. Um eine Beeinträchtigung des beruflichen Werdegangs eines freigestellten Personalratsmitglieds zu vermeiden, ist der Werdegang im Wege der fiktiven Laufbahnnachzeichnung so zu behandeln, wie der nicht freigestellter Kollegen, die hinsichtlich ihrer Tätigkeit und Qualifikation vergleichbar sind.

 

Normenkette

Brem-PersVG § 39 Abs. 1 S. 2, Abs. 9; BGB § 823 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Bremen-Bremerhaven (Urteil vom 06.11.2007; Aktenzeichen 3 Ca 3181/07)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 14.07.2010; Aktenzeichen 7 AZR 359/09)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 06.11.2007 – Az.: 3 Ca 3181/07 – abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger seit dem 01.08.2006 nach Vergütungsgruppe VII des Rundfunktarifvertrages zu vergüten.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob der Kläger wegen seiner Tätigkeit als teilweise freigestellter Personalrat in seinem beruflichen Werdegang nicht hätte die Entgeltgruppe VII des Rundfunktarifvertrages erreichen können. Dass ihm diese zusteht, wünscht er mit dem vorliegenden Verfahren zu erreichen.

Der am … geborene Kläger ist seit dem 01.08.1989 als Arbeitnehmer und 1. Tontechniker bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Rundfunktarifvertrag Anwendung. Seit dem 01.07.1992 ist der Kläger in die Vergütungsgruppe VI eingruppiert.

Der Kläger ist Mitglied des bei der Beklagten gebildeten Personalrats. In den Jahren 1999 bis 2006 war er zur Hälfte seiner Arbeitszeit für Personalratstätigkeit von seiner Arbeitsleistung freigestellt. Darüber hinaus hat er weitere Personalratsaufgaben wahrgenommen, so dass er während des vorstehend genannten Zeitraums nur ca. 10% seiner Arbeitszeit tatsächlich als Tontechniker gearbeitet hat. Ab dem Jahr 2006 hat er keinerlei Aufgaben mehr als Tontechniker erbracht. Er wurde zu 80% freigestellt und hat im Übrigen sonstige Personalratsaufgaben wahrgenommen.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird seit dem 01.07.2005 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell geführt. Die aktive Phase läuft bis zum 31.10.2007 und die passive Phase endet zum 28.02.2010.

Sämtliche Tontechniker der Beklagten sind zum 01.04.2006 auf die Firma B. P. GmbH (B.) übergegangen. Dies gilt nicht für den Kläger und den Mitarbeiter Be.. Der ehemalige Kollege B., der seit 1988 bei der Beklagten tätig war, ist zum 01.08.2006 in die Vergütungsgruppe VII höhergruppiert worden. Zuvor sind die ehemaligen Kollegen H. und L. von der B. letztlich höher bezahlt worden.

Mit Schreiben vom 23.08.2006 und 19.04.2007 verlangte der Kläger ebenfalls die Höhergruppierung in Vergütungsgruppe VII. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 26.10.2006 und 16.05.2007 ab. Mit seiner am 07.06.2007 beim Gericht eingereichten Klage verfolgt der Kläger seinen Höhergruppierungsanspruch weiter.

Der Kläger hat vorgetragen, er mache einen Anspruch auf einen benachteiligungsfreien beruflichen Werdegang geltend. In einem Mitarbeitergespräch mit seinem Vorgesetzten Graumann im Jahr 2005 sei festgehalten worden, dass der Vorgesetzte den Kläger durch Aufstellung eines Schulungsplans unterstützen könne. Solch ein Schulungsplan sei jedoch nicht aufgestellt worden.

Er habe bereits in 2003 den Wusch geäußert gehabt,...

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