Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und anderen Formen drittbezogenen Personaleinsatzes
Leitsatz (amtlich)
1. Wesentliches Kriterium für die Abgrenzung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und anderen Formen drittbezogenen Personaleinsatzes ist die Eingliederung des Arbeitnehmers und die Ausübung des Weisungsrechts durch den Inhaber der fremden Betriebsorganisation gegenüber dem Arbeitnehmer.
2. Bei der Frage, ob von einer "wirtschaftlichen Tätigkeit" im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG auszugehen ist, steht der Marktbezug im Vordergrund. Das zusätzliche Erfordernis einer Konkurrenzsituation wird nicht vorausgesetzt.
3. Das besondere Schutzbedürfnis von Leiharbeitnehmern folgt aus der Aufspaltung der Arbeitgeberstellung zwischen Verleiher und Entleiher. Es gibt keine Veranlassung anzunehmen, dass der Sozialschutz von Leiharbeitnehmern nicht gefährdet ist, nur weil der Verleiher keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt.
Normenkette
AÜG § 1 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Bremen-Bremerhaven (Entscheidung vom 04.06.2015; Aktenzeichen 9 Ca 9162/14) |
Tenor
Das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 04.06.2015 - 9 Ca 9162/14 - wird abgeändert:
Es wird festgestellt, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten seit dem 1. Dezember 2011 ein unbefristetes Anstellungsverhältnis im öffentlichen Schuldienst nach Maßgabe des TV-L mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 31,5 Stunden besteht.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Begründung eines Arbeitsverhältnisses aufgrund des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG).
Die am ...1956 geborene Klägerin steht seit dem 01.03.2006 als pädagogische Schulassistentin durchgehend in einem Arbeitsverhältnis mit dem Verein "St. e.V." zu einem Monatsbruttoentgelt von zuletzt € 2.811,09 bei einer 31,5-Stunden-Woche. Die Satzung des Vereins ergibt sich aus der Anlage B 6 (Bl. 116ff. d. A.)
Grundlage der arbeitsrechtlichen Beziehungen der Parteien ist der Arbeitsvertrag vom 05.11.2004 (Anlage K 1, Bl. 17 f. d. A.) nebst Ergänzung vom 31.08.2005 (Anlage K 2, Bl. 19 d. A.). Mit dem Arbeitsvertrag vom 28.02.2006 (Anlage K 3, Bl. 20 f. d. A.) wurde die Klägerin unbefristet als pädagogische Schulassistentin weiterbeschäftigt. Zudem schlossen die Parteien unter dem Datum des 05.03.2014 eine Zusatzvereinbarung (Anlage K 4, Bl. 22 d. A.), die von der Klägerin allerdings nur unter Vorbehalt unterzeichnet wurde.
Die Klägerin ist an der A. -Schule tätig, einer öffentlichen staatlichen Schule. Dort ist sie als pädagogische Schulassistentin/Schulsozialpädagogin eingesetzt in der Betreuung von Schülerinnen und Schülern. Der Verein St. e. V. unterhält keinen eigenen Schulbetrieb.
Zwischen dem Verein und der Beklagten bestehen ein Kooperationsvertrag sowie Einzelvereinbarungen (Anlagen B 1, Bl. 59 ff. d. A.; B 2, Bl. 63 ff. d. A.). In dem Kooperationsvertrag aus dem Jahr 2001 heißt es:
"§ 1 Gegenstand
Gegenstand dieses Vertrages ist die Bereitstellung von Personal zum Zweck der Wahrnehmung folgender Aufgaben für den Senator für Bildung und Wissenschaft
- ergänzender Förderunterricht für Kinder und Jugendliche nicht-deutscher Herkunftssprache
- ergänzende Förderung von Kindern mit ausgewiesener LeseRechtschreibschwäche
- ergänzende Maßnahmen zur Unterrichtsvertretung
Die o.a. Projekte werden in den anliegenden Einzelvereinbarungen beschrieben. ...
§ 5 Mitarbeiter/innen
Die Auswahl und die Anstellung von Personal obliegt der St. e.V.
Die Auswahl der Mitarbeiter/innen hat sich am vorher festgelegten Bedarf (siehe Einzelvereinbarungen) zu orientieren. Neben der persönlichen Eignung muss die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter auch über die vom Senator für Bildung und Wissenschaft geforderte Qualifikation verfügen, um Inhalt und Ziel der Maßnahme verwirklichen zu können. Insoweit ist die Auswahl mit dem Senator für Bildung und Wissenschaft im Einzelfall abzustimmen.
§ 6 Angestelltenverhältnis
Die unter § 4 genannten Mitarbeiter/innen sind Arbeitnehmer/innen der St. e.V. und unterliegen in arbeitsrechtlicher und sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht ausschließlich den zwischen ihnen und der St. e.V. getroffenen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen. Die St. e.V. als Arbeitgeber hat die alleinige Dienst- und Fachaufsicht.
Während der Erbringung von Dienstleistungen in der Schule ordnet sich das eingesetzte Personal in die schulorganisatorischen Abläufe ein und nimmt im Rahmen der festgelegten Maßnahme und im Sinne des Hausrechts Einzelanweisungen der Schulleitung entgegen.
Die Zuständigkeit der St. e.V. für die generelle Dienst- und Fachaufsicht nach Abs. 1 Satz 2 bleibt dadurch unberührt. Konflikte werden gemäß §§ 3 und 6 dieses Vertrages gelöst.
Der Erholungsurlaub ist in den Schulferien zu nehmen.
§ 7 Konfliktmanagement
Die St. e. V. und die jeweilige Schule sind bei der Umsetzung der festgelegten Maßnahme zu einer engen Kooperation verpflichtet. In strittigen Fällen entscheidet der Senator für Bildung und Wis...