Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksame verhaltensbedingte Kündigung eines Klinikmitarbeiters bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin zu den für die Zentralsterilisation erteilten Verhaltensanweisungen. Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag der Arbeitgeberin bei schwerwiegenden Vorwürfen im Rahmen prozessualer Auseinandersetzung und unangemessen hoher Schadensersatzforderung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es obliegt der Arbeitgeberin, eindeutige und klare Regelungen oder Anweisungen für die vom Arbeitnehmer auszuführende Arbeit zu erteilen.

2. Die verhaltensbedingte Kündigung eines Klinikmitarbeiters ist unbegründet, wenn die Arbeitgeberin nicht hinreichend substantiiert darlegt, welche Anweisungen im Einzelnen sie dem in der Zentralsterilisation beschäftigten Arbeitnehmer zu welchen Zeitpunkten gegeben hat, und nicht ersichtlich ist, dass sie dem Arbeitnehmer klar vor Augen geführt hat, welche herausragende Bedeutung die Einhaltung der Hygieneverfahrensweisen für die Arbeitgeberin hat; gerade weil die Einhaltung von Hygienemaßnahmen in einem Krankenhaus grundsätzlich von besonderer Bedeutung ist, hat die Arbeitgeberin dies den Beschäftigten klar vor Augen zu führen und darf Anweisungen nicht immer nur mündlich erteilen sondern hat diese auch in schriftlicher Form dem Arbeitnehmer zur Kenntnis zu bringen.

3. Wirft der Arbeitnehmer der Arbeitgeberin im Rahmen einer prozessualen Auseinandersetzungen vor, fast alle denkbaren psychischen Probleme bei ihm verursacht zu haben, und spricht er darüber hinaus von "intensiven Rachegelüsten und der Herabsetzung der Tötungs- und Gewaltanwendungshemmschwelle", löst dieses Verhalten bei der Arbeitgeberin naheliegenderweise Befürchtungen verschiedenster Art aus, die eine gedeihliche Zusammenarbeit der Arbeitsvertragsparteien nicht mehr erwarten lassen.

4. Auch eine außerordentliche hohe Schmerzensgeld- und Schadensersatzforderung, die (mit 279.516 Euro) außer Verhältnis zu den erhobenen Vorwürfen bezüglich einer falschen Schichtdiensteinteilung und Mehrarbeitsstunden steht, kann im Einzelfall die feindselige Haltung des Arbeitnehmers gegenüber der Arbeitgeberin belegen und rechtfertigt die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien, da ein solches Verhalten das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien endgültig zerstört.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 2, § 9 Abs. 2 S. 2, § 10 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bremen-Bremerhaven (Entscheidung vom 21.11.2012; Aktenzeichen 8 Ca 8117/12)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 25.08.2014; Aktenzeichen 8 AZN 226/14 (A))

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 21.11.2012 - 8 Ca 8117/12 - in Ziff. 2 des Tenors teilweise abgeändert und insoweit wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die weitere Kündigung der Beklagten vom 13.07.2012 nicht aufgelöst worden ist.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers als unbegründet zurückgewiesen.

Auf den Hilfsantrag der Beklagten wird das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien mit Ablauf des 31.12.2012 aufgelöst.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Abfindung € 6.048,41 brutto zu zahlen.

Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt der Kläger 1/4, die Beklagte 3/4.

Von den Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens trägt der Kläger 6/11, die Beklagte 5/11.

Die Revision wird gegen dieses Urteil nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wesentlichen um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und um einen Auflösungsantrag des Arbeitgebers.

Der Kläger ist am 27.01.1978 geboren, verheiratet und hat zwei Kinder. Er ist Student der Rechtswissenschaften an der Universität Bremen. Seit dem 01.07.2003 ist der Kläger als Mitarbeiter der Zentralsterilisation bei der Beklagten auf einer Basis von zuletzt 20 Stunden die Woche beschäftigt. Er erzielt ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 1.273,35 €. Die Beklagte beschäftigt unstreitig regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien beruht auf dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 23.06.2003 mit Nachtrag vom 20.11.2006 (vgl. Bl. 22 f. d. A.). Nach Ziffer 2 des Arbeitsvertrags liegen dem Dienstverhältnis die "Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes" (AVR) in ihrer jeweiligen Fassung zugrunde. Ziffer 7 des Arbeitsvertrags regelt unter Bezugnahme auf § 14 AVR die Kündigungsfristen.

Als Mitarbeiter der Zentralsterilisation ist es Aufgabe des Klägers, das gesamte Sterilisationsgut, beispielsweise gebrauchte Instrumente und andere Gegenstände, aus den Operationssälen abzuholen und zum Sterilisieren zu bringen. Entsprechend der Anweisungen der Vorgesetzten hat dies in einem geschlossenen Wagen zu erfolgen, der dann zur Sterilisationsabteilung zu fahren ist.

Mit Schreiben vom 13.05.2011 (Bl. 56 f d. A.) erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung.

Diese enthält den Vorwurf, der Kläger habe während eines Zeitraums vom 04.04.2011 bis 21.04....

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