Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch eines Betriebsratsmitglieds auf Vergütung außerhalb der individuellen Arbeitszeit erbrachter Betriebsratstätigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Muss der Betriebsrat eines Betriebes, der Assistenzleistungen für behinderte Kinder während der Schulzeit und auf dem Weg von und zur Schule erbringt, in den Schulferien in Anspruch genommen werden, um wirksam personelle oder andere mitbestimmungspflichtige Maßnahmen durchführen zu können, so ist die Betriebsratstätigkeit zu vergüten, da ein Freizeitausgleich nicht erfolgen kann.
Normenkette
BetrVG § 37 Abs. 3, 2
Verfahrensgang
ArbG Bremen-Bremerhaven (Entscheidung vom 15.01.2013; Aktenzeichen 6 Ca 6216/12) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 15.01.2013 - 6 Ca 6216/12 - wird zurückgewiesen. Die Widerklage wird abgewiesen.
2. Auf die Berufung der Klägerin hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 15.01.2013 - 6 Ca 6216/12 - teilweise abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, weitere Euro 40,35 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf die Euro 13,45 brutto seit dem 01. Juni, 01. Juli und 01.08.2012 zu zahlen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
4. Die Revision wird in Bezug auf Ziff. 2 des Urteils für den Beklagten zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Anspruch der Klägerin auf Abgeltung von Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit bzw. hilfsweise um einen Anspruch auf Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergütung.
Der Beklagte erbringt unter anderem Assistenzleistungen für behinderte Kinder. Diese Assistenzleistung wird während der Schulzeit erbracht und - nach Art und Umfang der Behinderung des Kindes - auch auf dem Weg von und zur Schule.
Die Klägerin ist seit dem 15.10.2007 als persönliche Assistentin bei dem Beklagten tätig. Die Tätigkeit wird mit einem Stundensatz von 13,45 € brutto vergütet. Die durchschnittliche monatliche Bruttovergütung der Klägerin beträgt 1.566,00 € brutto.
Bei dem Beklagten ist ein aus 11 Personen bestehender Betriebsrat gebildet, dem die Klägerin als Betriebsratsmitglied angehört. Der Betriebsrat setzt sich überwiegend aus Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zusammen, die wie die Klägerin im Bereich der persönlichen Assistenz tätig sind.
Innerhalb der Schulferien werden die Assistenzen bei dem Beklagten tatsächlich nicht durchgeführt. Da der Urlaubsanspruch der Assistenten zur Abdeckung aller unterrichtsfreien Zeiten nicht ausreicht, sind die Arbeitsverhältnisse der Assistenzkräfte so ausgestaltet, dass während der Schulzeit durch Vor- und Nacharbeit ein Stundenguthaben aufgebaut wird, welches durch Freizeitausgleich innerhalb der Schulferien - soweit der Urlaubsanspruch nicht ausreicht - wieder abgebaut wird. Dabei verwendet der Beklagte eine Formel des Einigungsstellenspruchs zwischen dem Bildungssenator und dem Personalrat für Erzieher/Erzieherinnen im Schulbetrieb. Die Formel regelt die Differenz zwischen den Urlaubsansprüchen von sechs Wochen und der Feriendauer von insgesamt zwölf Wochen. Von diesem Gesamtzeitraum sind drei Wochen durch Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit vor- bzw. nachzuarbeiten. Die weitere Differenz von drei Wochen zwischen dem individuellen Urlaubsanspruch einerseits und der Schulferienzeit andererseits braucht nicht vor- oder nachgearbeitet zu werden. Der Beklagte kürzt das Gehalt, um eine stetige Vergütung zu gewährleisten, entsprechend über das Jahr verteilt. Dafür hat der Beklagte die Vergütung für 49 Kalenderwochen errechnet und diese Gesamtvergütung durch zwölf Monate geteilt, sodass die Assistenten tatsächlich für diese drei Wochen keine Vergütung erhalten, jedoch über das ganze Jahr ein stetiges Gehalt.
Das Erfordernis, Betriebsratstätigkeit zu verrichten, fällt jedoch auch während der Schulferien an. Der Betrieb bei dem Beklagten läuft insgesamt auch während der Schulferien weiter und es sind regelmäßig Betriebsratssitzungen durchzuführen und Beschlüsse zu fassen. Auch arbeitgeberseitig werden Anhörungen des Betriebsrats, z.B. zu Einstellungen, Versetzungen oder zu Kündigungen, während der Schulferien vorgenommen. Der Betriebsrat muss dann zur Wahrung der Fristen aus dem Betriebsverfassungsgesetz während der Schulferien tagen. Regelmäßig werden beispielsweise Änderungskündigungen in den Schulferien ausgesprochen, weil der Beklagte damit die einzelvertraglich geregelten Wochenarbeitszeiten der Assistenzkräfte an den angenommenen zukünftigen zeitlichen Betreuungsbedarf des Kindes anpassen will.
In der Vergangenheit ist diese Situation der Betriebsratstätigkeit während der Schulferien so gelöst worden, dass die Betriebsratsmitglieder keine detaillierte Urlaubsplanung für die Schulferien vorgenommen haben, die während dieser Zeit erbrachten Betriebsratstätigkeit jedoch als erforderliche Betriebsratsarbeit wie Arbeitszeit durch den Beklagten vergü...