Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahlanfechtung. Eigenständige Betriebsteile. Filialbetrieb
Leitsatz (redaktionell)
Die Zuständigkeit von Filialleitungen für die Gestaltung von Wochenarbeitsplänen und die Erstellung des Urlaubsplans bzw. die Genehmigung von Urlaubsanträgen ist für sich genommen nicht ausreichend, um von eigenständigen Betriebsteilen i.S.v. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BetrVG auszugehen.
Normenkette
BetrVG §§ 19, 4 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Wesel (Beschluss vom 17.10.2007; Aktenzeichen 3 BV 30/06) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Wesel vom 17.10.2007 – 3 BV 30/06 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird für die Beteiligten zu 2) und 3) zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Arbeitgeberin (im Folgenden: Beteiligte zu 3) betreibt ein Unternehmen in der Bäckereibranche mit Hauptsitz in N.. Die Verwaltung, Geschäftsführung und Produktion werden im L.-M. betrieben. Die Antragstellerin (im Folgenden: Beteiligte zu 1) ist eine im Betrieb der Beteiligten zu 3) vertretene Gewerkschaft.
Die Beteiligte zu 3) beschäftigt insgesamt rund 600 (so die Beteiligte zu 1) bzw. 900 (so die Beteiligte zu 3) Arbeitnehmer, die zu einem erheblichen Anteil in rund 100 (so die Beteiligte zu 1) bzw. 120 (so die Beteiligte zu 3) Filialen eingesetzt werden. Circa 170 Arbeitnehmer werden in der Verwaltung und in der Produktionsstätte der Beteiligten zu 3) beschäftigt.
Am 05.09.2006 fand eine Betriebsratswahl am Hauptsitz der Beteiligten zu 3) in L.-M. statt. Vor deren Durchführung wurde durch den Wahlvorstand das Wahlausschreiben im Produktionsbetrieb und in der Verwaltung der Beteiligten zu 3) bekannt gegeben. Eine Bekanntgabe in ihren Verkaufsfilialen erfolgte nicht. Es wurde ein siebenköpfiger Betriebsrat (im Folgenden: Beteiligter zu 2) gewählt. Das Wahlergebnis wurde am 06.09.2006 bekannt gemacht.
Mit der beim Arbeitsgericht Wesel am 20.09.2006 eingegangenen Antragsschrift begehrt die Beteiligte zu 1), die Betriebsratswahl vom 05.09.2006 für rechtsunwirksam zu erklären.
Die Beteiligte zu 1) hat im Wesentlichen die Auffassung vertreten:
Bei der Wahl des Beteiligten zu 2) sei der Betriebsbegriff verkannt worden. Entgegen dem Wahlausschreiben handele es sich bei den Filialen, den Produktionsstätten und der Verwaltung um einen einheitlichen Betrieb. Die Verkaufsfilialen seien keine selbstständigen Betriebe. Ihr Großteil liege nicht räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt. Keine der Verkaufsfilialen sei durch Aufgabenbereich und Organisation selbstständig. Bei der Beteiligten zu 3) würden alle mitbestimmungsrelevanten Entscheidungen für die Filialen, aber auch für die Produktion und die Verwaltung durch die Unternehmensleitung vom Standort L.-M. aus getroffen. Eine Vielzahl der Filialen sei mit öffentlichen Verkehrsmitteln innerhalb einer Stunde zu erreichen. Deshalb sei von einer räumlichen Nähe dieser Filialen vom Hauptbetrieb auszugehen. Das Ergebnis der Wahl sei durch die Verkennung des Betriebsbegriffs objektiv beeinflusst worden. Denn den Arbeitnehmern aus den Filialen sei die Möglichkeit genommen worden, selbst eine Vorschlagsliste zu erstellen und einzureichen, was möglicherweise zu einem anderen Wahlergebnis geführt hätte. Des Weiteren wäre in Anbetracht der insgesamt zu berücksichtigenden Beschäftigungszahl ein elfköpfiger Betriebsrat zu wählen gewesen.
Die Beteiligte zu 1) hat beantragt,
die Betriebsratswahl vom 05.09.2006 für rechtsunwirksam zu erklären.
Der Beteiligte zu 2) und die Beteiligte zu 3) haben beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Der Beteiligte zu 2) hat im Wesentlichen geltend gemacht:
Die Verkaufsfilialen würden selbstständige Betriebe darstellen. Jede Filiale erstelle eine eigene Personalplanung. Die jeweilige Filialleitung sei zuständig für die Einstellung, Entlassung, die Ausfallzeitenkompensation, die Urlaubsplanung und Vertretungsorganisation. Zudem seien die Filialbetriebe räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt.
Die Beteiligte zu 3) hat im Wesentlichen geltend gemacht:
Die Personalhoheit werde in den einzelnen Filialen jeweils von der dortigen Filialleitung ausgeübt. Einstellungen und Entlassungen würden stets auf Initiative der jeweiligen Filialleitung erfolgen, die den Bedarf an Arbeitskräften ermittle und gegebenenfalls bei der Geschäftsleitung um Ausschreibung von Stellen bitte. Auch die Abmahnung von Mitarbeitern erfolge in aller Regel nur auf Initiative der Filialleitung durch die Geschäftsleitung. Die Filialleitungen würden auch in eigener Verantwortung Dienst- und Urlaubspläne erstellen, Vertretungen organisieren und Überstunden anordnen.
Mit seinem am 17.10.2007 verkündeten Beschluss hat das Arbeitsgericht nach Durchführung einer Beweisaufnahme, hinsichtlich deren Ergebnis ausdrücklich auf das Sitzungsprotokoll vom 19.09.2007 verwiesen wird, dem Antrag der Beteiligten zu 1) stattgegeben und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:
Bei der Wahl des Beteiligten zu 2) sei gegen wesentliche Vorschriften des BetrVG verstoßen worden, da der Wahlvorstand Filialb...