Entscheidungsstichwort (Thema)
Mehrwert eines Vergleichs bei einer allgemein gehaltenen Ausgleichsklausel
Leitsatz (amtlich)
1. Auch allgemein gehaltene Ausgleichsklauseln können grundsätzlich streitige oder ungewisse Ansprüche klären und insoweit bei der Wertfestsetzung zu einem Mehrwert des Vergleichs führen. In diesem Fall bedarf es allerdings für die Wertfestsetzung stets der Darlegung des Rechtsverhältnisses und der konkreten Umstände, aus denen sich ergibt, dass darüber zwischen den Parteien zuvor Streit oder Ungewissheit bestanden hat.
2. Der Höhe nach ist bei Bemessung des Mehrwerts einer Ausgleichsklausel, die unbezifferte Forderungen auf Ersatz gegenwärtigen und/oder künftigen Schadens ausschließt, auf die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, die Höhe des (auch künftigen) Schadens, sowie das Risiko der tatsächlichen Inanspruchnahme abzustellen (ebenso Streitwertkatalog idF v. 09.02.2018, Ziff. I.25.1.6). Zu berücksichtigen sind ferner die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs. Danach kommt bei lediglich fahrlässigem Handeln regelmäßig nur eine anteilige Haftung für den Schaden in Betracht.
Normenkette
BGB § 779; ZPO § 3
Verfahrensgang
ArbG Mönchengladbach (Entscheidung vom 19.07.2018; Aktenzeichen 5 Ca 554/18) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers wird der Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 19.07.2018 abgeändert.
Der Gegenstandswert für den gerichtlichen Vergleich vom 08.06.2018 wird auf 73.609,40 € festgesetzt.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Gründe
I.
Mit ihrer am 25.07.2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen Beschwerde wenden sich die Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts für den gerichtlichen Vergleich vom 08.06.2018 mit Beschluss vom 19.07.2018 auf 48.609,40 €. Sie machen geltend, die in Ziffer 11. des Vergleichs getroffene Abrede, wonach mit Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Vergleich beiderseits keinerlei Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sowie seiner Beendigung mehr bestehen und auch keine Tatschen, bekannt oder unbekannt, gegeben sind, aus denen solche Ansprüche abgeleitet werden können, enthalte einen Mehrwert. Die Beklagte habe dem Kläger vorgeworfen, dass durch sein pflichtwidriges Verhalten ein erheblicher finanzieller Schaden entstanden sei, und sich die Erhebung von Schadensersatzansprüchen vorbehalten. Die Schäden habe die Beklagte im Gütetermin mit Blick auf die Personalkosten auf 50.000,00 € beziffert. In der Kammerverhandlung habe sie von einem Schaden "in Millionenhöhe" gesprochen. Die Beschwerdeführer meinen, dass zumindest der von der Beklagten konkret bezifferte Schaden bei der Wertbemessung berücksichtigt werden müsse.
Mit Beschluss vom 21.08.2018 hat das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und zur Begründung ausgeführt, die in Ziffer 11. des Vergleichs getroffene Erledigungsregelung erwähne eine konkrete Schadensersatzforderung der Beklagten nicht. Über konkrete Schadenssummen sei auch nicht verhandelt worden. Zudem trage die Beschwerdeführerin unterschiedlich hohe Schadensbeträge vor.
II.
Die zulässige Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers ist teilweise begründet. Die Regelung in Ziffer 11. des Vergleichs vom 08.06.2018 (Ausgleichsklausel) war mit einem Mehrwert von 25.000,00 € zu bemessen. Hieraus ergibt sich insgesamt ein Gegenstandswert des Vergleichs von 73.609,40 €.
1. Ein Vergleichsmehrwert fällt an, wenn durch den Vergleichsabschluss ein weiterer Rechtsstreit und/oder außergerichtlicher Streit erledigt und/oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt werden (stdRspr. d. Beschwerdekammer zu Nr. 1000 VV-RVG, vgl. etwa Beschluss v. 19.03.2018 - 4 Ta 466/17 - juris, Rn. 9; ebenso Streitwertkatalog idF v. 09.02.2018 unter Ziff. I.25.1).
a. Ausgleichsklauseln in gerichtlichen Vergleichen erhöhen den Vergleichswert nur, wenn durch sie ein streitiger oder ungewisser Anspruch erledigt wird (LAG Düsseldorf 15.08.2006 - 6 Ta 436/06; 08.05.2007 - 6 Ta 99/07; 28.12.2007 - 6 Ta 610/07; ebenso Streitwertkatalog idF v. 09.02.2018, Ziff. I.25.1.5 Satz 1). Soweit die bisherige Rechtsprechung der Beschwerdekammer (aaO) in Bezug auf Ausgleichsklauseln dahin verstanden wurde, dass nur im Falle von ausdrücklich und im einzelnen konkret aufgeführten Anspruchsausschlüssen in einer Ausgleichsklausel ein Mehrwert anzunehmen sei, wird daran nicht festgehalten. Maßgeblich für die Bestimmung eines etwaigen Mehrwertes ist es vielmehr allein, ob zwischen den Parteien tatsächlich Streit oder Ungewissheit in Bezug auf konkrete Ansprüche bestand und ob darüber im Vergleich eine Regelung getroffen wurde. Mit welchem Wortlaut dies geschieht, bleibt den Parteien vorbehalten. Auch allgemein gehaltene Ausgleichsklauseln können daher grundsätzlich streitige oder ungewisse Ansprüche klären. In diesem Fall bedarf es allerdings für die Wertfestsetzung stets der Darlegung des Rechtsverhältnisses und der konkreten Umstände, aus denen sich ergibt, dass...