Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifzuständigkeit. OT-Mitgliedschaft. Arbeitgeberverband. Tariffähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Arbeitgeberverbände können ihre Tarifzuständigkeit kraft ihrer auf Art. 9 Abs. 3 GG beruhenden Satzungsautonomie beschränken und eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft) ermöglichen. Die Tariffähigkeit des Verbandes wird dadurch grundsätzlich nicht beeinträchtigt.

2. Die Einrichtung einer OT-Mitgliedschaft ist zulässig, wenn sich aus der Satzung des Verbandes eine deutliche Abgrenzung der Mitgliedschaft mit Tarifbindung (T-Mitgliedschaft) und der OT-Mitgliedschaft ergibt und die OT-Mitglieder keinen unmittelbaren Einfluss auf die Tarifpolitik ausüben.

3. Die OT-Mitgliedschaft verstößt insbesondere nicht gegen § 3 Abs. 1 TVG und stellt auch keinen Eingriff in die Verhandlungsparität dar.

4. Die tarifvertragsschließende Gewerkschaft hat gegen den Arbeitgeberverband als Verhandlungspartner keinen Auskunftsanspruch, welches Mitglied OT-Mitglied oder T-Mitglied ist.

 

Normenkette

GG Art. 9 Abs. 3; TVG § 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Beschluss vom 04.04.2005; Aktenzeichen 14 BV 169/04)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen denBeschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom04.04.2005 – 14 BV 169/04 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Frage des Umfangs der Tarifzuständigkeit des Beteiligten zu 2. (im Folgenden: Antragsgegner), insbesondere darüber, ob der Antragsgegner als Unternehmerverband für seine Mitglieder ohne Verbandstarifbindung (Mitglieder OT) tarifzuständig ist.

Die Beteiligte zu 1. (im Folgenden: Antragstellerin) begehrt hilfsweise Auskunft über den jeweiligen Mitgliedschaftsstatus der Mitglieder des Antragsgegners.

Bei der Antragstellerin handelt es sich um eine Gewerkschaft, die u. a. mit dem Antragsgegner Tarifverträge für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen abschließt.

Die Satzung des Antragsgegners vom 18.02.2004 (vgl. Bl. 63 ff. d. A.) sieht die Möglichkeit einer Mitgliedschaft mit Verbandstarifbindung (sog. T-Mitgliedschaft) und eine Mitgliedschaft ohne Verbandstarifbindung (sog. OT-Mitgliedschaft) vor. Sie lautet auszugsweise:

§ 2

Zweck

(2) Die Landesarbeitsgemeinschaft ist eine Vereinigung im Sinne des Tarifvertragsgesetzes.

(3) Die Landesarbeitsgemeinschaft hat unter Rücksichtnahme auf gesamtwirtschaftliche Notwendigkeiten an der Erhaltung des Arbeitsfriedens mitzuwirken und für den solidarischen Zusammenhalt der Mitglieder zu sorgen. Zu ihren Aufgaben gehört insbesondere der Abschluss von Tarifverträgen mit Arbeitnehmerorganisationen für ihre ordentlichen Mitglieder mit Verbandstarifbindung (Mitglieder T).

§ 5

Mitgliedschaft mit und ohne Verbandstarifbindung

(1) Die Mitgliedschaft im Sinne des § 3 kann als eine solche mit Verbandstarifbindung (Mitglied T) oder als eine ohne Verbandstarifbindung (Mitglied OT) erworben werden.

(2) Mitglieder, die eine Verbandstarifbindung nicht wünschen und aus der Tarifgemeinschaft ausscheiden wollen, können sich hiervon mit schriftlicher Erklärung an den Geschäftsführer des Verbandes befreien. Erfolgt die Erklärung während der Laufzeit eines Verbandstarifvertrages, so wird sie erst mit dessen Ablauf einschließlich der Nachwirkung im Sinne des § 3 TVG wirksam. Über die Folgen des Austritts aus der Tarifgemeinschaft ist das Mitglied schriftlich durch den Geschäftsführer zu unterrichten.

(3) Mitglieder ohne Verbandstarifbindung (Mitglied OT) werden von den vom Verband abgeschlossenen Tarifverträgen nicht erfasst. Der Abschluss eines firmentarifbezogenen Verbandstarifvertrages ist ausgeschlossen.

(4) Die Mitglieder mit Verbandstarifbindung (Mitglied T) benennen und entsenden aus ihren Reihen Vertreter des eigenen Unternehmens in den tarifpolitischen Ausschuss nach § 6 durch schriftliche Mitteilung an den Geschäftsführer des Verbandes. Mitglieder ohne Verbandstarifbindung (Mitglied OT) haben kein Benennungs- und Entsenderecht.

(5) Die Beschlussfassung in der Mitgliederversammlung über Tariffragen und Arbeitskampfmassnahmen unterliegt allein den Mitgliedern mit Verbandstarifbindung (Mitglied T).

§ 6

Tarifpolitischer Ausschuss

(1) Dem tarifpolitischen Ausschuss gehören an:

  1. der Vorsitzende des Verbandes, sofern er einem Unternehmen mit Verbandstarifbindung zugehörig ist, ansonsten der vom Vorstand des Verbandes aus dem Kreis der Unternehmen mit Verbandstarifbindung für die Dauer von 4 Jahren berufene Vorsitzende.
  2. Vertreter aller Mitgliedsunternehmen mit Verbandstarifbindung. § 9 Abs. 3 der Satzung gilt sinngemäß auch hinsichtlich der Vertretungsmacht und des Stimmrechts.

Diese Personen bilden gleichzeitig die Große Tarifkommission der Tarifgemeinschaft.

(2) Die Mitglieder des tarifpolitischen Ausschusses/der Großen Tarifkommission wählen aus ihrer Mitte für die Dauer von 4 Jahren mit einfacher Mehrheit zwei gleichberechtigte Stellvertreter des Vorsitzenden.

(3) Der tarifpolitische Ausschuss ist für die Verbandstarifverträge zuständig. Ihm obliegt die Bearbeitung...

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