Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung einer „equal-pay” Klage bei Bezugnahme auf mehrgliedrige Tarifverträge zur Vorgreiflichkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf § 97 Abs. 5 ArbGG durch das Arbeitsgericht ist nicht zulässig, wenn dieses die Voraussetzungen der Vorgreiflichkeit bei arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf mehrgliedrige Tarifverträge nicht zumindest im Hinblick auf die satzungsmäßigen Zuordnungen der in Betracht kommenden Tarifverträge überprüft hat.

 

Normenkette

ArbGG § 2a Abs. 1 Nr. 4, § 97 Abs. 5 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Oberhausen (Beschluss vom 05.09.2011; Aktenzeichen 1 Ca 801/11)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Aussetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 05.09.2011 zu Ziffer 1. aufgehoben.

2. Streitwert: 300,00 EUR.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage die Differenzvergütung für den Zeitraum vom 01.12.2010 bis 31.03.2011 sowie Urlaubsvergütung auf der Grundlage des § 9 Nr. 2 AÜG.

Die Klägerin war bei der Beklagten vom 01.09.2010 bis 31.03.2011 befristet beschäftigt. Sie wurde ausweislich des Arbeitsvertrages als Kassiererin eingestellt und als solche im Rahmen ihres Leiharbeitsverhältnisses während ihres Arbeitsverhältnisses ausschließlich in einem Supermarkt der Firma S. eingesetzt.

§ 1 des Arbeitsvertrages lautet wie folgt:

„Auf das Arbeitsverhältnis finden die zwischen dem Arbeitgeberverband mittelständischer Personaldienstleister e. V. (AMP) einerseits und der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP), der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM), der DHV – Die Berufsgewerkschaft e. V. (DHV), dem Beschäftigtenverband Industrie, Gewerbe, Dienstleistung (BIGD), dem Arbeitnehmerverband land- und ernährungswirtschaftlicher Berufe (ALEB), medsonet.Die Gesundheitsgewerkschaft (medsonet) andererseits abgeschlossenen Tarifverträge, derzeit bestehend aus Manteltarifvertrag, (…), Entgeltrahmentarifvertrag, Entgelttarifverträge West sowie Beschäftigungssicherungstarifvertrag, in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung. (…)”

Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin Entgeltansprüche unter dem Aspekt des „Equal Pay” geltend in Höhe von 1.456,05 EUR unter Zugrundelegung der tariflichen Bestimmungen des Einzelhandels NRW.

Sie beruft sich darauf, dass die in Bezug genommenen Tarifverträge infolge der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.12.2010 – 1 ABR 19/10 – nichtig seien.

Die Beklagte hat die Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf die Frage beantragt, ob die CGZP in der Vergangenheit tariffähig gewesen sei. Sie hat geltend gemacht, dass das Bundesarbeitsgericht nur für die Zukunft die Tariffähigkeit verneint habe. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass seit dem 1. Januar 2010 mehrgliedrige Tarifverträge mit den Einzelgewerkschaften, unter anderem der DHV abgeschlossen worden seien.

Das Arbeitsgericht hat durch den angegriffenen Beschluss vom 05.09.2011 wie folgt tenoriert:

  1. „Der Rechtsstreit wird bis zur rechtskräftigen Entscheidung eines gemäß §§ 2a Abs. 1 Nr. 4, 97 Abs. 1 und 5 ArbGG geführten Beschlussverfahrens über die Frage, ob die Christliche Gewerkschaft Metall (CGM) und die DHV – Die Berufsgewerkschaft e. V. (DHV) tarifzuständig, der Beschäftigtenverband Industrie, Gewerbe, Dienstleistung (BIGD), der Arbeitnehmerverband land- und ernährungswirtschaftlicher Berufe (ALEB) und die Arbeitnehmervereinigung medsonet.Die Gesundheitsgewerkschaft (medsonet) tariffähig und tarifzuständig sind, jeweils einen Tarifvertrag zur Arbeitnehmerüberlassung abzuschließen, ausgesetzt.
  2. Der Aussetzungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.”

Es hat darauf abgestellt, dass es für den Erfolg der Klage nicht nur auf die Tariffähigkeit der tariflabschließenden Gewerkschaften, über deren Tariffähigkeit schon teilweise Beschlussverfahren anhängig sind, sondern auch darauf ankommt, ob diese überhaupt satzungsgemäß in der Lage sind Tarifverträge für den Arbeitnehmerüberlassungsbereich zu schließen; insoweit gehe es um ihre Zuständigkeit zum Abschluss von Tarifverträgen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung.

Gegen den am 07.09.2011 zugestellten Beschluss hat die Klägerin unter dem 20.09.2011 sofortige Beschwerde eingelegt und u. a. geltend gemacht, dass das Arbeitsgericht vor Aussetzung hätte überprüfen müssen, inwieweit bei dem Vertragswerk eine satzungsmäßige Zuordnung der Tarifwerke hätte erfolgen können.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin, gegen deren Zulässigkeit gemäß § 78 ArbGG i. V. m. den §§ 567 Abs. 1 Ziff. 1 und 252 ZPO keine Bedenken bestehen, musste Erfolg haben.

Der Aussetzungsbeschluss ist mit der gegebenen Begründung nicht zu rechtfertigen.

1.

a) Nach § 97 Abs. 5 Satz 1 1. Altern. ArbGG hat das Gericht das Verfahren bis zur Erledigung des in § 2 a) Abs. 1 Nr. 4 ArbGG vorgesehenen Beschlussverfahrens auszusetzen, wenn die Entscheidung eines Rechtsstreits davon abhängt, ob eine Vereinigung tariffähig oder tarifzuständig ist. Das ...

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