Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufsichtsratswahl. Anfechtung der Wahl von Arbeitnehmervertretern. Konzern. Vermutungswirkung des § 18 AktG. Widerlegung der Konzernvermutung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 11 Abs. 1 DrittelbG ist die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer anfechtbar, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.

2. Nach § 2 Abs. 1 DrittelbG nehmen an der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder des herrschenden Unternehmens eines Konzerns (§ 18 Abs. 1 AktG) auch die Arbeitnehmer der übrigen Konzernunternehmen teil. Erforderlich für diese Wahlberechtigung ist, dass die beteiligten Unternehmen einen Konzern i.S.v. § 18 Abs. 1 S. 1 AktG bilden.

3. Ein Konzern i.S.v. § 18 Abs. 1 S. 1 AktG liegt vor, wenn ein herrschendes und ein oder mehrere abhängige Unternehmen unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefasst sind. Nach § 18 Abs. 1 S. 3 AktG wird von einem abhängigen Unternehmen – widerlegbar – vermutet, dass es mit dem herrschenden Unternehmen einen Konzern bildet.

4. An die Widerlegung der Konzernvermutung sind strenge Anforderungen zu stellen. Sie kann nur gelingen, wenn ohne Rücksicht auf die Abhängigkeit, Tatsachen behauptet und bewiesen werden, nach denen ein Konzernverhältnis nicht besteht. Es müssen folglich Umstände dargelegt werden, aus denen sich ergibt, dass das herrschende und das abhängige Unternehmen nicht einheitlich geleitet werden.

 

Normenkette

AktG § 18 Abs. 1 S. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Beschluss vom 03.03.2009; Aktenzeichen 11 BV 184/08)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 15.12.2011; Aktenzeichen 7 ABR 56/10)

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 03.03.2009 – 11 BV 184/08 – wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller und Beteiligter zu 1) als Vorstand der J. E-S. AG begehrt mit seinem Antrag, die Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat der

J. E-S. AG (im Folgenden: JES AG) vom 17.09.2008 für unwirksam zu erklären. Zwischen den Beteiligten ist insbesondere streitig, ob die Arbeitnehmer der JES C. GmbH & Co KG (im Folgenden: JES C.), bei der ein eigener Betriebsrat besteht, hier der Beteiligte zu 8), an der Wahl teilnehmen durften.

Die JES AG ist gemäß § 96 Abs. 1 AktG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 DrittelbG verpflichtet, einen mitbestimmten Aufsichtsrat zu bilden, der aus 15 Mitgliedern besteht, so dass dem Aufsichtsrat fünf Arbeitnehmervertreter angehören.

Mit Wirkung zum 01.01.2007 hat die JES AG ihren Bahnbetrieb ausgegliedert und das gesamte dem Bahnbetrieb zuzuordnende Vermögen in Form der Einzelrechtsübertragung in die JES C. eingebracht, deren alleinige persönlich haftende Gesellschafterin die JES C. Verwaltungsgesellschaft mbH ist. Die JES AG ist die einzige Gesellschafterin der JES C. Verwaltungsgesellschaft mbH sowie die alleinige Kommanditistin der JES C., und zwar bei letzterer mit einer Einlage von 500.000,00 EUR. Sämtliche Arbeitsverhältnisse der zum Bahnbetrieb gehörenden Arbeitnehmer sind auf die JES C. übergegangen. Zum alleinigen Geschäftsführer der JES Verwaltungsgesellschaft mbH wurde Herr L2. bestellt, der zuvor für die JES AG als verantwortlicher Leiter des Bahnbetriebes tätig war und diese Tätigkeit nunmehr für die JES Verwaltungsgesellschaft mbH fortführt.

Die für den Bahnbetrieb erforderlichen Grundstücke einschließlich der Aufbauten hat die JES AG an die JES C. verpachtet.

Laut Gesellschaftsvertrag (Bl. 78 – 87 der Akte) ist Unternehmensgegenstand der JES C. die Führung des gesamten bisher von der JES AG im Rahmen ihrer wirtschaftsfördernden Aufgaben unterhaltenen und geführten Bahnbetriebs in E.-S. mit allen dazu gehörenden Rechten, Pflichten und Tätigkeiten als rechtlich selbstständiges Unternehmen im eignen Namen und für eigene Rechnung. Der JES C. ist vom Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen die Genehmigung erteilt worden, als Halterin von Eisenbahnfahrzeugen selbstständig am Eisenbahnbetrieb auf öffentlichen Eisenbahninfrastrukturen teilzunehmen. Zum Betriebsleiter wurde vom Ministerium Herr L2. bestellt.

Der Eisenbahnbetrieb führt im Auftrag der an das Gleisnetz angeschlossenen Anschließergemeinschaft die Zustellung und Abholung von Güterwagen zu und von den verschiedenen Übergabestellen durch und befördert für andere Bahntransportunternehmen Güterwagen und Güterzüge an der Übergabestelle Bahnhof E.-S. im Netzbetrieb der E. Netz AG zu bzw. von den Anschlussinhabern. Außerdem sieht der Bahnbetrieb die Betriebsführung der X. E.-S. vor.

Für den Bahnbetrieb gilt die zwischen der JES AG und den Anschlussinhabern des Privatbahnunternehmens bereits im Jahr 1899 geschlossene Vereinbarung „Allgemeine Bedingungen für die Anschlussanlagen auf den J. E.-S.” (Bl. 92 – 95 der Akte), die im J...

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