Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsatzung in den vorigen Stand. Unverschuldete Fristversäumung. Beschwerdefrist

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Rechtsanwalt, der sich auf unverschuldete Fristversäumung beruft, muss darlegen, dass er organisatorische Sorgfaltspflichten eingehalten hat. Hierzu gehört auch die Obliegenheit, das Empfangsbekenntnis über die Zustellung einer Entscheidung, mit der eine Rechtsmittelfrist zu laufen beginnt, erst zu unterzeichnen und zurückzugeben, wenn auf bzw. in der Handakte die Rechtsmittelfrist vermerkt und die Frist im Fristenkalender notiert ist.

 

Normenkette

ArbGG § 87 Abs. 2, § 89 Abs. 3; ZPO § 233

 

Verfahrensgang

ArbG Duisburg (Beschluss vom 11.09.2008; Aktenzeichen 1 BV 56/08)

 

Tenor

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Duisburg vom 11.09.2008 wird als unzulässig verworfen.

Gegen diesen Beschluss findet kein Rechtsmittel statt.

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten anlässlich einer zum 01.10.2008 angeordneten Versetzung der Mitarbeiten R. von E. nach G. a. M. darüber, ob die Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt gilt oder nach § 99 Abs. 4 BetrVG gerichtlich zu ersetzen ist.

Das Arbeitsgericht Duisburg hat durch Beschluss vom 11.09.2008 die Anträge der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Gegen den am 24.09.2008 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin am 25.09.2008 beim Landesarbeitsgericht Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig um einen Antrag nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG erweitert. Mit Schriftsatz vom 25.11.2008, am selben Tag per Fax bei Gericht eingegangen, hat sie die Beschwerde begründet. Am 08.12.2008 hat sie wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist das Gesuch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt und gleichzeitig sowie ergänzend unter dem 16.12.2008 begründet.

Sie trägt vor, dass die Fristenkontrolle, in arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren Tagesgeschäft in der Kanzlei ihrer Verfahrensbevollmächtigten, dort der seit 1990 tätigen Rechtsanwaltsfachangestellten Frau E. übertragen und von ihr stets fehlerlos wahrgenommen worden sei. In fristgebundenen Sachen würde bei Eingang auf dem jeweiligen Schriftstück das Fristende vermerkt und die Rechtsmittelfrist und Rechtsmittelbegründungsfrist (mit Vor- und Endfrist) zudem im Fristenkalender vermerkt (sog. Notierungsvermerk). Eine Woche vor Fristablauf erhalte der Anwalt mittels eines Vorfristenzettels, einen Tag vor Fristablauf mittels eines Endfristenzettels den Hinweis auf den Fristablauf. Im vorliegenden Fall sei die Eintragung der Beschwerdebegründungsfrist von Frau E. versäumt worden. Der sachbearbeitende Anwalt K. habe am 05.11.2008 den Entwurf der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin übermittelt. Nachdem diese hierzu noch Anmerkungen mitgeteilt habe, sei am 25.11.2008 die Beschwerdebegründung bei Gericht eingereicht worden. Der Anwalt K. habe wegen des ausgebliebenen Fristenhinweises seitens Frau E. darauf vertraut, die Beschwerde am 25.11.2008 fristgerecht begründet zu haben.

Der Betriebsrat sieht in einem Organisations- und Fristenüberwachungsmangel die Ursache für die Fristversäumung und hält daher das Wiedereinsetzungsgesuch für unbegründet.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb zu verwerfen (§ 89 Abs. 3, § 87 Abs. 2 Satz 1, § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Sie ist nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Monaten nach der am 24.09.2008 erfolgten Zustellung des erstinstanzlichen Beschlusses, der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehen ist (§ 84 Satz 3, § 9 Abs. 5 ArbGG), d.h. bis zum Ablauf des 24.11.2008 begründet worden. Die erst am 25.09.2008 eingegangene Begründung ist verspätet.

Der Wiedereinsetzungsantrag bleibt erfolgslos. Die Arbeitgeberin hat die Beschwerdebegründungsfrist nicht unverschuldet versäumt. Das Versäumnis beruht auf dem Verschulden ihres Verfahrensbevollmächtigten, das sie sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.

1. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt nach § 233 ZPO voraus, dass die Partei ohne ihr Verschulden gehindert war, die versäumte Frist einzuhalten. Für die Berechnung, Notierung und Kontrolle von Fristen in arbeitsgerichtlichen Beschwerdeverfahren nach §§ 87 ff. ArbGG gelten die zur Fristwahrung bei Berufungen in Urteilsverfahren entwickelten Grundsätze. Wird ein Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigter tätig, muss der Rechtsmittelführer einen Geschehensablauf vortragen, der ein Verschulden seines Bevollmächtigten zweifelsfrei ausschließt. Nach zutreffender höchstrichterlicher Spruchpraxis (BAG, Beschluss vom 08.05.2008, 1 ABR 56/06, Juris Rz. 15) verlangt die anwaltliche Sorgfaltspflicht, in Fristsachen das Möglichste zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und der Behandlung von Fristen auszuschließen. Zwar kann der Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigte z.B. die Berechnung und Notierung einfacher und in seinem Büro geläufiger Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Angestellte...

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