Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmtheitserfordernis des Vollstreckungstitels. Bestimmung des zu erreichenden Erfolgs im Antrag nach § 888 ZPO. Anspruch auf Zeugnis mit Notenbewertung. Wohlwollendes Zeugnis als ausreichende Vollstreckungsgrundlage
Leitsatz (amtlich)
1. Die Vollstreckung aus einem Titel kann nur dann erfolgen, wenn hinreichend klar ist, welche konkrete Leistung von dem Schuldner gefordert wird; ob der zur Vollstreckung anstehende Titel hinreichend bestimmt ist, ist dabei unter Rückgriff auf die für das Erkenntnisverfahren maßgebliche Regelung des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu bestimmen.
2. Bei einer Vollstreckung nach § 888 ZPO müssen nicht notwendig die konkret vorzunehmenden Handlungen im Titel festgelegt sein. Vielmehr reicht es aus, wenn der zu bewirkende Erfolg hinreichend bestimmt beschrieben wird; es ist dann Sache des Schuldners, auf welche Weise er den von ihm geschuldeten Erfolg herbeiführt.
3. Die Formulierung in einem Vollstreckungstitel, wonach sich die Arbeitgeberin zur Erteilung eines Zeugnisses verpflichtet, dessen Inhalt einer bestimmten Notenstufe entspricht ("gute Beurteilung von Leistung und Verhalten"), erfüllt die vorgenannten Voraussetzungen (entgegen BAG 14.02.2017 - 9 AZB 49/16 - JurBüro 2017, 497). Es kann durch jede sachkundige Person beurteilt werden, welcher Stufe der Notenskala ein erteiltes Zeugnis zuzuordnen ist.
Normenkette
ZPO §§ 888, 253 Abs. 2, § 891
Verfahrensgang
ArbG Krefeld (Entscheidung vom 20.10.2020; Aktenzeichen 1 Ca 1740/19) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers vom 30.10.2020 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Krefeld vom 20.10.2020 - 1 Ca 1740/19 - aufgehoben.
Gegen die Schuldnerin wird zur Erzwingung der Verpflichtung aus dem Vergleich vom 19.11.2019, nämlich dem Gläubiger ein qualifiziertes Zeugnis mit dem im Vergleich bestimmten Inhalt zu erteilen, ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,-- € verhängt. Für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, wird für jeweils 500,-- € ein Tag Zwangshaft festgesetzt, zu vollstrecken an dem Geschäftsführer H. H. der persönlich haftenden Gesellschafterin der Schuldnerin.
Die Vollstreckung der Zwangsmittel entfällt, sobald die Schuldnerin der genannten Verpflichtung nachkommt.
Die Schuldnerin hat die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird für die Schuldnerin zugelassen.
Beschwerdewert: 3.500.-- €.
Gründe
A.
Im Ausgangsverfahren haben die Parteien im Gütetermin vom 19.11.2019 einen Widerrufsvergleich geschlossen, in dem sich die Schuldnerin u.a. wie folgt verpflichtet hat:
" 3.Die Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeitszeugnis unter dem Ausscheidungsdatum, welches sich auf Leistung und Verhalten erstreckt, eine gute Leistungs- und Verhaltensbeurteilung sowie die übliche Dankes-, Wunsches- und Bedauernsformel enthält."
Der Vergleich ist von den Parteien nicht widerrufen worden. Am 23.12.2019 hat das Arbeitsgericht dem Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt. Am 08.01.2020 hat der Gläubiger der Schuldnerin den Vergleich zugestellt.
Die Schuldnerin hat dem Gläubiger verschiedene Zeugnisse zukommen lassen, welche aus seiner Sicht jedoch keine ordnungsgemäße Erfüllung des titulierten Anspruchs darstellen.
Der Gläubiger hat die Festsetzung von Zwangsgeld zur Erzwingung der titulierten Verpflichtung beantragt. Hilfsweise beantragt er solches mit dem Ziel, dass die Schuldnerin ihm ein qualifiziertes Zeugnis erteilt.
Mit Beschluss vom 20.10.2020 hat das Arbeitsgericht Haupt- und Hilfsantrag zurückgewiesen. Gegen den ihm am 23.10.2020 zugestellten Beschluss hat der Gläubiger mit einem am 03.11.2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 30.10.2020 sofortige Beschwerde eingelegt, welcher das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 12.11.2020 nicht abgeholfen hat.
B.
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig: Sie ist nach §§ 62 Abs. 2 Satz 1, 78 Satz 1 ArbGG, 793, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch form- und fristgerecht (§ 569 ZPO) eingelegt worden.
2. Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen liegen vor. Auch im Übrigen stehen der Vollstreckung keine durchgreifenden Bedenken entgegen.
a) Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts hält die Beschwerdekammer Ziffer 3 des Vergleichs vom 19.11.2019 für ausreichend bestimmt.
(1) Dagegen spricht zunächst nicht, dass die Schuldnerin ein "wohlwollendes" Zeugnis erteilen soll. Zwar ist die Wendung "wohlwollend" unbestimmt und deshalb ein Vergleich insoweit nicht vollstreckbar; dies hindert jedoch nicht die Vollstreckbarkeit des titulierten Anspruchs auf ein qualifiziertes Zeugnis an sich, da die Wendung nur deklaratorisch das wiedergibt, was nach allgemeinen Zeugnisgrundsätzen inhaltlich von einem Zeugnis zu fordern ist; sie ist deshalb vollstreckungsrechtlich ohne Bedeutung (LAG Köln 03.09.2013 - 11 Ta 202/13 - juris; Sächs. LAG 06.08.2012 - 4 Ta 170/12 (9) - NZA-RR 2013, 215; Beschwerdekammer 04.03.2014 - 13 Ta 645/13 - ju...