Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff der grundlegenden Änderung des Betriebszwecks i.S. von § 111 S. 3 Nr. 4 BetrVG. Sozialplanpflicht der Einstellung des Forschungs- und -entwicklungsbereichs eines Betriebes
Leitsatz (amtlich)
1. Wird in einem Betrieb neben dem Hauptzweck (Vertrieb) außerdem Forschung und Entwicklung (F&E) betrieben, so kann dar Wegfall des F&E-Bereichs eine grundlegende Änderung des Betriebszwecks i. S. v. § 111 S. 3 Nr. 4 BetrVG darstellen.
2. Eine grundlegende Änderung wird jedenfalls indiziert, wenn die Anzahl der vom Wegfall des F&E-Bereichs betroffenen Arbeitnehmer die Zahlen und Prozentwerte des § 17 KSchG erreicht.
Normenkette
BetrVG § 111 S. 3 Nr. 1, §§ 4, 112a
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 23.04.2015; Aktenzeichen 15 BV 2/15) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 23.04.2015 - 15 BV 2/15 - abgeändert.
Es wird festgestellt, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 08.12.2014 unwirksam ist und die Schließung des QT-Teams und des Field-Testings und die Entlassung von acht in diesen Bereichen beschäftigten Mitarbeitern gemäß § 112 BetrVG sozialplanpflichtig ist.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Sozialplanpflicht einer Betriebsänderung.
Die Antragsgegnerin (im Folgenden: Arbeitgeberin) ist die deutsche Tochter des internationalen C. C.-Konzerns. Sie unterhält in E. einen Betrieb, zu dem ein externer Betriebsteil in N. gehört und in dem ein einheitlich gewählter Betriebsrat, der Antragsteller, besteht. Unstreitig sind in dem Gesamtbetrieb zwischen 52 und 59 Arbeitnehmer regelmäßig beschäftigt (Stand: Mai 2014). Zehn Arbeitnehmer davon entfallen auf den N. Betriebsteil.
Spätestens seit dem Jahr 2013 besteht im C. C.-Konzern das sogenannte CORE-Programm ("cost optimization and resource efficiency"). Ziel des Programms ist es, weltweit 50 % der Kosten und 40 % des Personals einzusparen.
Ende 2013 wurde bei der Arbeitgeberin die Abteilung T-Mobile International mit zwei Arbeitnehmern geschlossen, von denen der eine versetzt wurde und der andere mit Aufhebungsvertrag ausschied. Am 05.02.2014 informierte die Arbeitgeberin den Betriebsrat über die Planung, weitere acht Mitarbeiter betriebsbedingt zu entlassen sowie darüber hinaus fünf bis sechs Beschäftigte zu versetzen. Hierzu übersandte sie dem Betriebsrat am 14.03.2014 den Entwurf eines Interessenausgleichs und Sozialplans. Am 19.03.2014 teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit, von der geplanten Maßnahme im kommunizierten Umfange abzusehen. In einem zwischen den Betriebspartnern anhängigen Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf teilte die Arbeitgeberin unter dem 17.04.2014 mit, sie beabsichtige, mit vier Arbeitnehmern Aufhebungsvereinbarungen abzuschließen. Unstreitig gehören diese Arbeitnehmer zu den ursprünglich acht zu entlassenden Arbeitnehmern. In der Folge schieden die Arbeitnehmer bei der Beklagten aus (Herr X. durch Kündigung, Herr T. durch Aufhebungsvertrag und Frau U. H. und Herr T. N. durch Eigenkündigung). Zudem schloss die Arbeitgeberin mit dem weiteren Mitarbeiter M. einen Aufhebungsvertrag. Nach weiteren Versetzungen teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat am 12.05.2014 mit, dass der im März begonnene Personalabbau damit abgeschlossen sei.
Am 27.05.2014 unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat über den geplanten Abbau weiterer acht Stellen in dem N. Betriebsteil und kündigte an, an den Betriebsrat schnellstmöglich mit einem Vorschlag für einen Interessenausgleich und Sozialplan herantreten zu wollen. Bei den vorgenannten Mitarbeitern handelt es sich um Mitglieder des so genannten QT-Teams (sieben Arbeitnehmer) sowie einen so genannten Field Tester. Anfang August 2014 erklärte der Chief Executive Officer (CEO) K. D. der kanadischen Muttergesellschaft, dass die vor drei Jahren begonnene Umstrukturierung und der Personalabbau nun abgeschlossen seien. Auch Nachfrage des Betriebsrats, wie diese Aussage im Hinblick auf den angekündigten Stellenabbau in N. zu verstehen sei, erklärte die Arbeitgeberin am 20.08.2014, dass die Aussage des CEO Gültigkeit habe, die N. Entlassungen jedoch noch der schon im Juni gestarteten Welle von Entlassungen in "D. T. Organisation" zuzurechnen seien und durchgeführt würden. Dabei handelt es sich um die unternehmerische Entscheidung des Mutterkonzerns, den global als Matrix organisierten Bereich der QT zu straffen und künftig keine QT-Teams mehr dezentral zu beschäftigen.
Im September 2014 kam es zu Verhandlungen zwischen den Betriebspartnern über die geplanten Entlassungen im N. Betriebsteil. Die Arbeitgeberin stellte nunmehr die Sozialplanpflicht der Maßnahme in Abrede. Durch Spruch der Einigungsstelle vom 08.12.2014 wurde festgestellt, dass die Interessenausgleichsverhandlungen gescheitert und die Entlassung der acht Arbeitnehmer in N. nicht sozialplanpflichtig sei. Nachfolgend schieden auch die beiden weiteren im N. Betriebsteil beschäftigten Arbeitnehmer aus...