Rechtsbeschwerde

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Freistellung von Betriebsratsmitgliedern, Anwendung der Wahlvorschriften über die Betriebsratswahl. Anfechtungsfrist

 

Leitsatz (amtlich)

1) Bei Ausscheiden eines freigestellten Betriebsratsmitgliedes aus dem Betriebsrat ist das ersatzweise freizustellende Mitglied in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 1 BetrVG der Vorschlagsliste zu entnehmen, der das zu ersetzende Mitglied angehörte.

2) Verstößt der Betriebsrat gegen dieses Verfahren, in dem er gleichwohl eine separate „Nachwahl” durchführt, ist diese Wahl entsprechend § 19 BetrVG anfechtbar.

3) Die 2-Wochen-Frist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG beginnt zu laufen mit Kenntnis der die Anfechtung erklärenden Arbeitnehmer.

 

Normenkette

BetrVG §§ 19, 25, 38

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Beschluss vom 01.07.2003; Aktenzeichen 2 BV 2/03)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 20.04.2005; Aktenzeichen 7 ABR 44/04)

 

Tenor

1) Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird derBeschluss des Arbeitsgerichts Essen vom01.07.2003 – 2 BV 2/03 – teilweise abgeändert:

Der Antrag wird insgesamt zurückgewiesen.

2) Die Rechtsbeschwerde wird für die Antragsteller zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten in der Beschwerdeinstanz noch über die Frage, ob ein Freistellungsbeschluss des Antragsgegners und Beteiligten zu 5), der bei der Arbeitgeberin, der Beteiligten zu 6), gebildete Betriebsrat, rechtsunwirksam ist. Die Antragsteller zu 1) bis 3) sind ordentliche Mitglieder des Betriebsrats, der Beteiligte zu 4) ist ein inzwischen ausgeschiedenes Betriebsratsmitglied. Der Betriebsrat besteht aus insgesamt elf ordentlichen Betriebsratsmitgliedern.

In seiner Sitzung vom 05.06.2002 fasste der Betriebsrat unter Tagesordnungspunkt 6 einen Beschluss über die Freistellung von zwei Betriebsratsmitgliedern. Die Abstimmung erfolgte geheim nach dem so genannten d'Hondtschen Wahlverfahren. Gewählt wurden ausweislich des Protokolls vom 13.06.2004 (Bl. 44 ff. d. A.) Frau O., die Betriebsratsvorsitzende, und Herr B..

Unter dem 14.06.2004 lud die Betriebsratsvorsitzende die Betriebsratsmitglieder zu einer weiteren Betriebsratssitzung am 19.06.2002 ein (Bl. 49 d. A.). Als Tagesordnungspunkt 10 war dabei „Freistellung Betriebsratsmitglieder” vorgesehen. In der Sitzung, in der auch ein Vertreter der Gewerkschaft ver.di anwesend war, beschloss der Betriebsrat unter Tagesordnungspunkt 10 die „Aussetzung der Freistellung des Kollegen B.”. Mit Wirkung vom 01.10.2003 schied Herr B. alsdann wegen Eintritts in den Vorruhestand auch aus dem Betriebsrat vollständig aus.

In der nächsten Betriebsratssitzung vom 09.10.2002, zu der die Betriebsratsvorsitzende mit Schreiben ohne Datum vorher eingeladen hatte (vgl. Bl. 119 d. A.), diskutierte der Betriebsrat unter Tagesordnungspunkt 5 die „Neuwahl zweite Freistellung/Betriebsvereinbarung Freistellung Betriebsratsmitglieder”. In der Niederschrift zur Betriebsratssitzung vom 09.10.2002 heißt es dann weiter:

Über das Thema zweite Freistellung wurde in Anwesenheit vom IG Bau Vertreter, N. N., diskutiert. Dabei wurde auch über das Ergebnis des Gesprächs zwischen

E. O., B. T., M. H. u. N. N.

gesprochen, da es darüber unterschiedliche Auslegungen gab.

N. N. verlies nach der sehr heftig geführten Diskussion die Sitzung.

Es wurde dann mit 9 ja Stimmen und einer nein Stimme Neuwahl der Freistellung vereinbart.

Der Beschluss zur Aussetzung der zweiten Freistellung wurde aufgehoben.

B. T. nimmt an der Wahl unter Protest teil.

Wahlvorschlag Liste O.:

E. O.

V. T.

Q. U.

Wahlvorschlag Liste IG Bau:

B. T.

T. Q.

V. T.

Es wurde geheime Wahl beschlossen.

Das Ergebnis:

9 Stimmen Liste O.

1 Stimme Liste IG Bau

Mit Schreiben vom 27.11.2002 wies der spätere Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller unter anderem darauf hin, dass der Freistellungsbeschluss vom 09.10.2002 nicht ordnungsgemäß erfolgt sei und bat um Anerkenntnis der Tatsache, dass der Antragsteller T. auch weiterhin freigestellt sei (vgl. hierzu Bl. 120 ff. d. A.). Dem kam der Betriebsrat indessen nicht nach.

Mit ihrem am 03.01.2003 beim Arbeitsgericht Essen anhängig gemachten Antrag haben die Antragsteller unter anderem die Feststellung begehrt, dass der Beschluss des Betriebsrats vom 09.10.2002 über die Freistellung der Betriebsratsmitglieder O. und T. rechtsunwirksam sei. Sie haben hierzu die Auffassung vertreten, dass nach dem Ausscheiden des Betriebsratsmitglieds B. der Antragsteller T. nachgerückt wäre, weil er auf der Vorschlagsliste, auf der sich auch der Kollege B. befunden hätte, an nächster Stelle positioniert gewesen sei. Hieraus folge, dass der Antragsteller T. automatisch in die Freistellungsstelle nachgerückt und eine Nachwahl unzulässig gewesen sei. Schließlich wäre die Wahl vom 09.10.2002 auch deshalb anfechtbar, weil nur zehn Betriebsratsmitglieder eingeladen gewesen wären und die Betriebsratsvorsitzende es versäumt hätte, für ein ordentliches Betriebsratsmitglied ein Ersatzbetriebsratsmitglied zu laden.

Die Antragsteller haben beantragt,

  1. festzustellen, dass der Beschluss des Betriebs...

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