Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufgabenbezogener Auskunftsanspruch der Gesamtschwerbehindertenvertretung gegenüber der Arbeitgeberin nach § 182 Abs. 1 SGB IX. Keine Pflicht zur generellen Übermittlung von Kontaktdaten durch Arbeitgeberin an Gesamtschwerbehindertenvertretung. Konkrete Aufgabe als Kriterium für Umfang der Übersendung personenbezogener Daten an Gesamtschwerbehindertenvertrretung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Grundlage für einen aufgabenbezogenen Auskunftsanspruch der Gesamtschwerbehindertenvertretung gegenüber der Arbeitgeberin ist § 182 Abs. 1 SGB IX. Erforderlich ist - ebenso wie bei § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG -, dass die Gesamtschwerbehindertenvertretung den Aufgabenbezug darlegt.

2. Die Schwerbehindertenvertretung kann die ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgaben nur erfüllen, wenn sie die von ihr zu vertretenden Personen kennt. Es kann unterstellt werden, dass dies entsprechend für die Gesamtschwerbehindertenvertretung gilt. Die Kontaktdaten (Name, Vorname, Personalbereich und Betriebsstätte) der schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Menschen hatte die Arbeitgeberin der Gesamtschwerbehindertenvertretung mitgeteilt.

3. Die Arbeitgeberin ist nicht generell verpflichtet, der Gesamtschwerbehindertenvertretung - die im konkreten Fall teilweise die Aufgaben der örtlichen Schwerbehindertenvertretung übernahm (§ 180 Abs. 6 Satz 1 SGB IX) - darüber hinaus die Kontaktdaten (Name, Vorname, Personalbereich, Betriebsstätte, Privatanschrift und private Telefonnummer) aller Beschäftigten mitzuteilen. Konkrete Aufgaben, welche die Übermittlung dieser Daten sämtlicher Beschäftigter auch unter Berücksichtigung der Grundsätze der Datensparsamkeit und Datenminimierung erforderlich machen, hat die Gesamtschwerbehindertenvertretung nicht dargelegt.

4. Konkrete Aufgaben, welche die Übermittlung der Privatanschriften und der privaten Telefonnummern der schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Menschen auch unter Berücksichtigung der Grundsätze der Datensparsamkeit und Datenminimierung erforderlich machen, hat die Gesamtschwerbehindertenvertretung ebenfalls nicht dargelegt.

 

Normenkette

DSGVO Art. 30; ArbGG § 87 Abs. 2, § 89 Abs. 2; BDSG § 26 Abs. 1, 3; BetrVG §§ 79a, 80 Abs. 2; SGB IX § 151 Abs. 3, § 177 Abs. 2, § 178 Abs. 1, 6, § 180 Abs. 6-7, § 182 Abs. 1; ZPO § 253 Abs. 2, §§ 259, 520 Abs. 3; SchwbVWO § 1 Abs. 1-2, § 2 Abs. 1; ArbGG § 92 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 28.01.2022; Aktenzeichen 7 BV 135/21)

 

Tenor

  1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 28.01.2022 - 7 BV 135/21 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen betreffend die Anträge zu 1. und 3. - ausgenommen die in den Hilfsanträgen genannten Gruppen - sowie betreffend die Anträge zu 2. und 4. nur soweit es um die private Anschrift und private Telefonnummer geht.

    Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten über die Überlassung von Kontaktdaten sämtlicher Beschäftigter und hilfsweise aller schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Beschäftigten.

Die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin (im Folgenden: Arbeitgeberin) betrieb ein Unternehmen für Geld- und Werttransporte in Deutschland. Die Arbeitgeberin beschäftigte insgesamt ca. 4.000 Mitarbeiter in 30 Niederlassungen, die über das gesamte Bundesgebiet verteilt waren.

Die Beteiligte zu 1) und Antragstellerin war die im Unternehmen durch die örtlichen Schwerbehindertenvertretungen gewählte Gesamtschwerbehindertenvertretung (im Folgenden: Gesamtschwerbehindertenvertretung). Örtliche Schwerbehindertenvertretungen existierten in folgenden 15 Niederlassungen: B., E., F., G., H., I., I., L., N., O., P., U., Q., R. und S.. In den übrigen Niederlassungen waren keine örtlichen Schwerbehindertenvertretungen gewählt. Neuwahlen für die Schwerbehindertenvertretungen waren für Oktober/November 2022 avisiert. Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Anhörung am 28.09.2022 hatten diese noch nicht stattgefunden. An allen Standorten waren Betriebsräte gewählt.

In den Niederlassungen war jeweils ein schwarzes Brett zur Information der Belegschaft vorhanden. Die Arbeitgeberin verfügte darüber hinaus über eine eigene Internetseite. Die Schwerbehindertenvertretungen und die Gesamtschwerbehindertenvertretung hatten die Möglichkeit, in dem durch die Arbeitgeberin eingerichteten Bereich im Intranet die Belegschaft zu informieren. Über eine eigene Internetseite verfügte die Gesamtschwerbehindertenvertretung nicht.

Mit E-Mail vom 28.04.2021 bat die Gesamtschwerbehindertenvertretung die Arbeitgeberin, ihr eine Liste mit privaten Adressen der schwerbehinderten Beschäftigten und denen Gleichgestellten zu überlassen. Die Arbeitgeberin lehnte dies nach mehreren Gesprächen und umfangreichen Schriftwechsel ab.

Die Gesamtschwerbehindertenvertretung hat gemeint, zur Wahrnehmung ihrer Rechte und Pflichten sei es unerlässlich, in Kontakt mit den schwerbehinderten Beschäftigten des Unternehmens zu kommen. Der Anspruch ergebe si...

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