Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigungsschutzklage. nachträgliche Zulassung Verschuldenszurechnung. Einzelgewerkschaft Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde
Leitsatz (amtlich)
1. Ein gewerkschaftllich vertretener Arbeitnehmer muss sich bei verspäteter Klageerhebung ein Verschulden seiner Einzel- bzw. Fachgewerkschaft im Rahmen des § 5 Abs. 1 KSchG nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen – auch wenn nur der DGB – Rechtschutz GmbH Prozessmandat erteilt wurde.
2. Eine zwecks Klageerhebung aufgesuchte und den Arbeitnehmer zunächst betreuende Einzelgewerkschaft ist – einem Korrespondenzanwalt vergleichbar – ihrerseits als insoweit mandatierter Bevollmächtigter im Sinne des § 85 II ZPO anzusehen.
3. Im Verfahren der nachträglichen Zulassung einer Kündigungsschutzklage nach § 5 KSchG ist gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts die Rechtsbeschwerde nach §§ 78 S. 2, 72 Abs. 2 ArbGG gegeben
Normenkette
KSchG § 5 Abs. 1; ZPO § 85 Abs. 2; ArbGG § 78 S. 2, § 72 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Oberhausen (Beschluss vom 16.05.2002; Aktenzeichen 1 Ca 761/02) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 16.05.2002 – 1 Ca 761/02 – abgeändert.
Der Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 14.100,– EUR.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von Seiten der Beklagten mit Schreiben vom 27.02.2002 zum 30.09.2002 ausgesprochenen Kündigung des mit dem Kläger seit dem 01.01.1975 bestehenden Arbeitsverhältnisses.
Mit der am 28.03.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die ihm am 28.02.2002 zugegangene Kündigung und beantragt die nachträgliche Zulassung der Klage. Zur Begründung dieses Antrages hat er angegeben, am 20.03.2002 zu seiner Gewerkschaft IG-Metall gegangen zu sein und um Klageerhebung gegen die Kündigung gebeten zu haben. Der Geschäftsführer der IG-Metall habe dann am 21.03.2002 gegen 16.00 Uhr der Kassenführerin die Unterlagen übergeben, mit der Bitte, sie an die D.-Rechtsschutz GmbH im Hause weiterzuleiten. Diese habe die Unterlagen jedoch nicht sofort weitergereicht, sondern wegen anderer Arbeiten diese erst einen Tag später, am 22.03.2002 zur D.-Rechtsschutz GmbH gebracht. Ein Arbeitnehmer, wenn er sich entscheide, Rechtsschutz bei der Gewerkschaft zu suchen, suche grundsätzlich seine Einzelgewerkschaft auf und werde von dieser zunächst betreut. Die Weitergabe an den D.-Rechtsschutz werde von den Einzelgewerkschaften unterschiedlich gehandhabt. Erkläre jedoch die Einzelgewerkschaft, dass sie selbst den Fall nicht verfolgen werde, sondern an die D.-Rechtsschutz GmbH weitergeben werde, so unterschreibe der Arbeitnehmer eine Prozessvollmacht auch ausschließlich und allein für den D.-Rechtsschutz, wie vorliegend auch im Falle des Klägers geschehen.
Das Arbeitsgericht Oberhausen hat mit Beschluss vom 16.05.2002, auf den im Übrigen Bezug genommen wird, die Kündigungsschutzklage nachträglich zugelassen. Seine Entscheidung hat es im Wesentlichen damit begründet, dass dem Kläger das Verschulden der Einzelgewerkschaft, die es unterlassen habe, rechtzeitig die Unterlagen zum D.-Rechtsschutz weiterzuleiten, nicht nach § 85 Abs. 2 ZPO angerechnet werden könne, da Prozessvertreter nach der Prozessvollmacht allein die D.-Rechtsschutz GmbH sei. Es gebe von daher keine Zurechnungsnorm, die es erlaube, dem Kläger das Verschulden des Gewerkschaftssekretärs anzulasten.
Der Beschluss ist der Beklagten am 07.06.2002 zugestellt worden. Mit der am 20.06.2002 beim Arbeitsgericht Oberhausen eingegangenen sofortigen Beschwerde verweist die Beklagte darauf, dass die Nachlässigkeit der Gewerkschaft IG-Metall dem Kläger unter dem Gesichtspunkt des Vertreterverschuldens anzurechnen sei, da die IG-Metall hinsichtlich der Aufnahme der notwendigen Daten für die Kündigungsschutzklage Vertreter der D.-Rechtsschutz GmbH sei. Die Einzelgewerkschaft IG-Metall bereite den Fall für die D.-Rechtsschutz GmbH „mundgerecht” auf. Insofern bestehe eine Arbeitsteilung zwischen den Gewerkschaften, die zu einer engen Bindung führe. Selbst wenn die Einzelgewerkschaft nicht als Unterbevollmächtigte des D.-Rechtsschutzes im Zusammenhang mit der Datenaufnahme zu sehen sei, so spräche doch die intern geregelte Aufgabenverteilung und die vollständige Vorbereitung der Kündigungsschutzklage durch die Einzelgewerkschaft dafür, dem D.-Rechtsschutz dies als Organisationsverschulden zuzurechnen. Der D.-Rechtsschutz müsse als Prozessbevollmächtigter die Organisation so gestalten, dass die fristgerechte Übermittlung der Kündigungsschutzklage sichergestellt sei und hinreichend überwacht werde.
Der Kläger ist dem Beschwerdevorbringen der Beklagten nicht entgegengetreten.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die gem. § 5 Abs. 4 Satz 2 KSchG statthaft...